Reise durch Wirklichkeiten

Dienstag, 8. November 2022

Gefühl und Spirit

Emotion und Spirituelles: Das Wort „Emotion“ kommt vom lateinischen emovere: nach außen bewegen. Es geht darum, nicht nur erreicht zu werden, sondern auch innerlich antworten zu können, jemand wiederum erreichen. Beispiel Musik machen: da wird man nicht nur erreicht, sondern man erfährt sich auch als wirksam, man hat einen Einfluss darauf, man gibt und erhält Impulse. Einfluss bezieht sich auf Abläufe, auf Prozesse. Etwas erreicht und berührt mich. Und ich erfahre mich als selbst wirksam damit verbunden. Ich kann antworten und dem entgegen gehen, auf es reagieren. Es ist nicht nur so, dass ich mir etwas einverleibe oder es in Reichweite bringe, sondern ich „transformiere“ mich dadurch. Es verändert einen, man wird ein anderer Mensch. Oder: es hat etwas mit mir gemacht. Rückblick im Sinne von: danach war ich jemand anderes. Etwas bewegt, berührt und erreicht mich, ich antworte und werde dadurch ein anderer. Es bleibt darin aber stets etwas Unwägbares. Das heißt, man kann versuchen, eine solche Beziehung mit allen Mitteln herzustellen. Es passiert aber nichts. Es könnte sogar sein, dass bei allergrößter Bemühung nichts passiert. Dabei entspricht sinnliche Überwältigung nicht dieser Art der Beziehung. Man mag beispielsweise in einem Konzert überwältigt sein durch die Soundfülle und das Licht. Aber das bedeutet nicht zwangsläufig, innerlich zu antworten und bewegt zu werden, ein anderer Mensch zu werden. Dieser Effekt kann nicht garantiert werden. Unter anderem mag es auch leibliche Hindernisse geben: Schmerz, Hunger. Psychische Voraussetzungen mögen dabei auch eine Rolle spielen: traumatisiert zu sein, oder tief verletzt. Dann verliere ich diese Fähigkeit, mich berühren zu lassen. Auch räumliche Bedingungen sind dabei wirksam: Sonnenschein und Wärme oder harter Regen mögen uns beeinflussen. Eine Betonhalle hat einen anderen Einfluss als die einer eine gewisse Wärme ausstrahlenden Umgebung. Je nachdem, wie man sitzt, wie man mit dem Anderen in Beziehung tritt, - oder auch nicht. Zeitdruck mag auch so manches umbiegen. Er „verdinglicht“ unter Umständen so manche Beziehung. Stress, Angst, Druck führt dann oft zu einer Art „Wettbewerb“. Es gilt dann Höher, besser, schneller, weiter. Das ist das Gegenteil zu „hören und antworten“. Wir haben einen Sinn dafür, was unsere Existenz begründet, was ihr Grund sein könnte, wie wir auf die letzte Wirklichkeit bezogen sind. Man kann diese letzte Wirklichkeit auch Universum nennen. Oder das Leben. Oder die Wirklichkeit. Oder die Welt, oder die Natur. Das Ganze? Aber man fühlt sich jedenfalls da hinein gestellt, ahnt, dass man ein Teil davon ist. Die Frage ist: wie sind wir darauf bezogen? Bezogen auf diese letzte Grundlegung. Ja, wir haben einen Sinn dafür. Er geht darauf zurück, dass am Grund unserer Existenz eine kollektive Antwort liegt. Vielleicht. Etwas, das für uns alle gilt, solange wir mit den selben Gattungsmerkmalen ausgestattet sind. Jemand ist da, der uns hört und sieht, versprechen etwa die Religionen. In uns und jenseits von uns. Beim Beten wird das deutlich: Man kann dabei nicht sagen, ob der Betende sich nach innen oder nach außen richtet. Beten ist eine ritualisierte Praxis, die eine Verbindung zwischen dem Innersten und dem Äußersten schafft. Es berührt mich und verflüssigt mich in meiner Verhärtung, es macht mich empfänglich. Religion beispielsweise schafft ein Bewusstsein dafür, dass wir mit dem Leben als Ganzes, mit Gott oder der Natur in einer Beziehung stehen. Mit der Kunst. Mit der Musik. Wichtig dabei ist: Man weiß nicht recht, ob man nach innen oder nach außen hört. Das alles bedeutet aber nicht Welterklärung. Nicht Weltdeutung. Es geht nicht um sinnhafte und kognitive Weltdeutung. Also nicht um das Erkennen vom Verstand her.

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