Ein Durchgang durch Realitäten aus meiner Sicht - Blog von Ulrich Bauer (Ergänzt ubpage.de)
Dienstag, 22. November 2022
Arbeitsethos
Wie eigentlich ist diese, jetzt so hochgelobte Gesellschaft (noch!) strukturiert? Deren
freiheitliche Verfassung wir so sehr schätzen? Welche Rolle
spielt darin die Arbeit und was ist sie überhaupt? Die hohe
Wertschätzung der Arbeit entspringt der industriellen
Revolution und ist gerade mal 200 Jahre alt. Zum Beispiel in der
Antike war es verwerflich, sein Leben der Arbeit zu widmen. Eine
niedere Tätigkeit. Der wahre Mensch hatte Besseres im Sinn. Etwa für
Aristoteles war Arbeit, die mit Mühsal verbunden war, an die Sklaven
delegiert. Erst mit der Verbreitung des Christentums hat der Begriff
der Arbeit nach und nach seine Aufwertung erhalten. Berühmt ist der
Satz des Apostels Paulus „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht
essen“. Das Christentum hat die Arbeit hoch eingeschätzt. Aber
gerade nicht in dem Sinne, dass sie ein Medium der
Selbstverwirklichung sein solle oder der Mensch sich dadurch geradezu
„erschaffe“.
Luther schätzte die Arbeit als „Gottesdienst im
Alltag“ ein. Beim großen Autoren und Soziologen Max Weber
(1864-1920) wurde dann der Protestantismus geradezu ein Wegbereiter
des Kapitalismus. Innere Disziplin wurde in diesem Zusammenhang immer
wichtiger. Dazu gab es auch äußeren Druck. Ein 16-Stunden-Tag war
in den Industriebetrieben des 19. Jahrhunderts die Norm. Der Kampf um
Arbeitszeitverkürzung wurde also in der Folge sehr wichtig. Es
bildete sich eine „Arbeiterkultur“, etwa mit ihren
Bildungseinrichtungen, heraus.Im
Grunde schrieb aber die gesamte Vormoderne der Arbeit keinen hohen
Wert zu. Arbeit ist etwas für die Nichtbürger, so die gängige
Einstellung. Eines wird die Digitalisierung wohl bringen: Die
„niederen und miesen“ Arbeiten können beruhigt von Robotern
erledigt werden. Dies würde einen gesellschaftlichen Fortschritt
bedeuten. Wir wären endlich in der Lage, gesellschaftlich wichtige
Arbeit wie etwa „Beziehungsarbeiten“ (Pflege usw.) so hoch zu
bewerten, wie es nötig wäre. Wer welche Arbeit macht und machen
soll, war jedoch in der Geschichte einem ständigen Wandel
unterzogen.
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