Reise durch Wirklichkeiten

Donnerstag, 24. November 2022

Egostyling

Ob man an der Außenlinie steht, im Diogenes-Fass liegt oder schlicht „den Beobachter“ gibt: Man will ja nicht fortwährend als Nörgler, Negativist oder Kulturpessimist beschimpft werden, was zudem auch noch „typisch deutsch“ sei. Aber als Analyst der Wirklichkeit kommt man nicht umhin, festzustellen, dass sich die Leute in den Industriegesellschaften immer mehr stylen, designen, dass sie auch durch ihr Äußeres einen bestimmten Eindruck hinterlassen wollen. Gerade durch ihr Äußeres. Botox ist gesellschaftsfähig geworden und Behandlungen damit sind minimal-invasiv, scheinbar harmlos und im Preis längst so gesunken, so dass sie sich nahezu jeder leisten können müsste. Leute wie Berlusconi gaben da jüngst einen Anstoß. Gab es früher noch die vielen abschreckenden Beispiele von alternden Schauspielerinnen mit zu viel Geld („Maskenbotox“), so wird die Anwendung von einschlägigen Dermatologen heute viel raffinierter ausgeführt. Man will ja nicht so aussehen, als sei man mit Botox behandelt. Man will vortäuschen, jung geblieben zu sein, sich gut gehalten zu haben. Botox, was ist das eigentlich? Ein ziemlich hartes Nervengift, - so könnte man zur Auskunft geben. Ein Gift, das im Krieg als Biowaffe eingesetzt werden soll. Biogift. Tierversuche waren und sind anscheinend immer noch nötig (damit auch bisher unbekannte Hersteller auf den Markt drängen können...), damit die Schönen ihre Haut auch schön glatt haben. Der Clou bei Botox ist, dass es zwar nicht süchtig macht, aber immer wieder erneuert werden muss, weil der Körper es ja abbaut (was so falsch nicht ist...). Insofern ist es ein Gewinnbringer erster Güte und eine nie versiegende Geldquelle für einschlägige Ärzte. Alarmierend dabei ist, dass die Empathie mit zunehmendem Botoxgebrauch abzunehmen scheint, da lebendige Gesichtszüge auch emotionale Botschaften übermitteln. Ob man das noch braucht? Botox könnte insofern dazu beitragen, dass das gesellschaftliche Klima kälter wird. Gleichbleibender. Gleichgültiger. Es gilt offenbar immer mehr, einen bestimmten Eindruck beim Gegenüber zu hinterlassen. Devise: Möglichst positiv und jung und dynamisch sein, mit einoperiertem Lächeln, gar nicht negativ, nörglerisch, melancholisch oder gar alt. Außerdem hat sich der soziale Druck zunehmend etabliert, sich mit Botox und anderen Schönheitstechniken behandeln zu lassen. Wer etwas auf sich hält, macht das. Es gilt: „Etwas aus sich machen“. Der Druck auf diejenigen, die natürlich altern wollen, wird noch weiter wachsen. Jeder soll selbst verantwortlich sein für sein diesbezügliches Erscheinungsbild. Egostyling. Machen. Manipulieren.

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