Reise durch Wirklichkeiten

Freitag, 25. November 2022

Andere Blickwinkel

Man ließ sich eine Weile darauf ein, im Bewusstsein, jederzeit in das Auto zu steigen und in die reale Wirklichkeit zurückkehren zu können. Andere Blickwinkel, vertauschte Perspektiven: „Geld macht frech und arrogant“, die Stimme dieses Benediktiners hallte uns in dieser von hunderten von Jahren durchtränkten Akustik deutlich in den Ohren und schien dadurch etwas von jener gnadenlosen Objektivität zu gewinnen, die die Ketzer und Hexen vergangener Zeiten geradewegs auf den Scheiterhaufen gebracht hatte. „Ich glaube nicht, das uns das verändern würde. Wir sind doch immer dieselben, egal in welcher Umgebung wir uns gerade befinden“, hatte sie dazu gesagt, als wir beide noch ganz alleine über die Schönheit dieses sakralen Raums gestaunt hatten. Meine Partnerin meinte: „Und im Übrigen: Ich meditiere jeden Morgen eine halbe Stunde. Früher habe ich dabei feste Regeln eingehalten. Heute sehe ich das lockerer...“. Sie hatte Recht. Da gab es überraschende Parallelen zu einer Mönchsexistenz. Sich in ein Regelwerk der inneren Versenkung begeben. Das war der Ausgangspunkt. Sie, die quirrlige, unstete und vitale Person, sie brachte es offenbar fertig, sich regelmäßig in sich zu versammeln und zu einer eigenen Ruhe, ja vielleicht gar zu sich selbst zu finden. Sie hatte ein Ritual daraus gemacht, das mutmaßlich ihren Tag strukturierte. Sich souverän diesen scheinbaren, dich umgebenden Sachzwängen zu entziehen, von denen du dich strangulieren lässt, das wäre es - so fuhr es dir durch den Kopf. Sich dieser Trägheit zu entziehen, die dich in ihren Fängen hält, - seit Jahren. Eigentlich bist du selbst ja der kontemplativere Mensch von uns beiden. Und sie ist der aktive Mensch. Idealtypisch gesehen. Eigentlich wäre die Versenkung dein Fach.

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