Reise durch Wirklichkeiten

Montag, 21. November 2022

Allein, allein

Du entdeckst es zunehmend und es wird dir zunehmend bewusst, dass du alleine bist. Hattest du in der Vergangenheit stets Leute um dich herum, die du als viel zu viele empfandest, so gibt es diejenigen jetzt gar nicht mehr. Man hat sich abgesetzt vom Mainstream, ohne dass man das so richtig merkte. Es gab eine Entwicklung um dich herum, deren Eigenheit du mal wieder nicht so recht mitbekamst. Immer wieder hört man von Menschen, die verreckten und die erst bemerkt wurden, als es anfing, unangenehm zu riechen. Nachbarn? Hier unsichtbar. Aber sie würden antworten, dass man mich in letzter Zeit kaum mehr gesehen habe. Man wisse kaum, wer was mache und warum. Tatsache scheint zu sein, dass für die meisten Menschen „Freunde“ allgegenwärtig sind und Ablenkungen zuhauf verfügbar sind. Wer eigentlich darf da bei sich selbst sein? Klar, so etwas kann auch lobesam sein. Doch die Zeiten, als der Schriftsteller Gottfried Benn „Wer allein ist, ist auch im Geheimnis.“ behaupten durfte, sind wohl im Zeichen einer allgemeinen Vergesellschaftung vorbei. Single sein. Sich selbst genügen, das freilich schließt einen von der großen Vernetzung aus. Eremitage. Mönchtum. Vor einiger Zeit und dann in Corona-Zeiten war es sehr angesagt, in Klöstern zu verweilen, die Stille dort neu kennen zu lernen, die Stille auszuhalten. „Auszeit auf Zeit“ war meist sehr teuer und beinhaltete oft auch noch andere Wellness-Wohltaten im Zeichen religiöser Erbauung. Doch was ist die Realität? Einsame und alleinstehende Menschen gelten als Sonderlinge. Reinschauen bei Edward Hopper: Menschen ohne soziale Bindungen sitzen dort alleine an der Bar, leicht bekleidete Damen machen geschlechtlichen Betrieb, bieten Attraktionen der glitzernden Oberfläche. Man sinkt ab in Wein und Zerstreuung, in Schein und Schalk.

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