Reise durch Wirklichkeiten

Freitag, 31. März 2017

Erde (Foto)

Erde

Donnerstag, 30. März 2017

Schopi und der Tod (2)

Arthur Schopenhauer schreibt in „Parerga und Paralipomena“: „Die Pflanze und das Insekt sterben am Ende des Sommers, das Thier, der Mensch, nach wenig Jahren: der Tod mäht unermüdlich. Desungeachtet aber, ja, als ob dem ganz und gar nichts so wäre, ist jederzeit Alles da und an Ort und Stelle, eben als wenn Alles unvergänglich wäre. Jederzeit grünt und blüht die Pflanze, schwirrt das Insekt, steht Thier und Mensch in unverwüstlicher Jugend da, und wie die schon tausendmal genossenen Kirschen haben wir jeden Sommer wieder vor uns. Auch die Völker stehen da, als unsterbliche Individuen; wenn sie gleich bisweilen die Namen wechseln: sogar ist ihr Thun, Treiben und Leiden allzeit dass selbe; wenn gleich die Geschichte stets etwas anderes zu erzählen vorgibt: denn diese ist wie das Kaleidoskop, welches bei jeder Wendung eine neue Konfiguration zeigt, während wir eigentlich immer das Selbe im Auge haben. Was also dringt sich unwiderstehlicher auf, als der Gedanke, daß jenes Entstehen und Vergehen nicht das eigentliche Wesen der Dinge treffe, sondern dieses davon unberührt bleibe, also unvergänglich sei, daher denn Alles und Jedes, was daseyn will, wirklich fortwährend und ohne Ende da ist“.

Dienstag, 28. März 2017

Spielerfrauen

Wem sind sie nicht schon aufgefallen, die Spielerfrauen, die sich gerne auf der Tribüne und in TV-Tanzshows vorzeigen. Trophäen halt. Vorzugsweise Models oder so aussehende Damen des „Easy Money“ oder „Jet Set“ (was für ein altmodisches Wort!). Es sind oft schön neureiche Damen, die sich Berühmtheiten an den Hals geworfen haben und ihr möglichst den gängigen Idealen entsprechendes Aussehen möglichst meistbietend verkauft haben, genauso, wie das der Beruf als Model mit sich bringt. Eine typische Aussage solcher "schönen" Luxusdamen wäre die, die für sich behauptet, unbedingt die „Komfortzone“ und die üblichen Sicherheiten verlassen zu wollen. Etwas „komplett Neues“ anzufangen und sich selbst neu kennen zu lernen, sei das Reizvolle. Typisch für Damen ihres Schlages. Dann muss meist eine Boutique eröffnet werden. Oder andere Selbstverwirklichungsstrategien sind angesagt. Selbstverständlich auf Kosten des reichen Mackers, der gerade zusammen mit seinem Spielerberater oder -vermittler in Verhandlungen um einen neuen Vertrag steht. Es geht, so die dann übermittelte Kolportage, um mehrere Millionen. Der Spieler stößt dann irgendwann die Dame ab und sucht sich etwas neues, jüngeres. Vielleicht, wenn der Typ clever ist, gibt es auch eine Hochzeit, in deren Vorfeld Gütertrennung (von den entsprechenden Medien belauscht und ausspioniert) vereinbart wurde. Selbstverständlich gibt es auf Instagram oder Facebook Fotos aus allen Perspektiven von den Schönen, die sich dann meist knapp begleitet im Bikini zeigen. „Hach, wie süß sie sind!“ Ein tiefer Blick in die Augen, - während der Fan einen tiefen Blick auf die Titten riskiert. Urlaub ohne Ehefrau? Ob's das heraufziehende Zeichen für eine Krise ist? Und überhaupt Abstinenz vor einem Spiel tut gut, Sex vor dem spielerischen Akt raube doch immerhin die notwendige Aggression und den Kampfgeist. Auch nach dem Spiel herrsche leider zu oft tote Hose. Sex Abstinenz Beruhigung. Competition.Wettbewerb. Und der Blick durchs Schlüsselloch.  

Montag, 27. März 2017

Rolle, Schauspielerei

Ich fing an, zu begreifen, dass wir alle eine Rolle spielen. Dass es Konflikte innerhalb dieser Rolle geben kann, aber auch zwischen den einzelne Rollen, die wir spielen. Vater, Mutter, Vereinsvorsitzende. Lehrer, Lenker und Lernende: das alles passt oft nicht zusammen und führt in uns zu Konflikten. Aber wir können eine gewisse Distanz zu der Rolle schaffen, in der wir uns befinden. Wir könnten erkennen, das wir als sozialen Wesen auch Ausgelieferte sein können. Ausgeliefert an Erwartungen, an „bewährte“ Verhaltensmuster, eingeübtes Wohlverhalten. Wir könnten dadurch so etwas ähnliches wie Rollendistanz entwickeln, also die Einsicht in diese sozialen Mechanismen und ihre Auswirkungen auf uns, auch wenn die Gesellschaft stets die vollkommene Identifikation damit zu fordern scheint. Wer also übt genau diese Distanz dauernd ein, indem er die Rollen wechselt, indem er durch verschiedene Augen blickt und in verschiedene Existenzen steigt? Jawohl, es könnte der Schauspieler sein, - so dachte ich mir damals. Es knüpfte sich bei mir nahezu unweigerlich die Begriffe Empathie, Mitleiden und Mitgefühl daran, die mein Denken bis heute bestimmen.
 Also schrieb ich ernst zu nehmende Schauspielerinnen an, nicht in der Absicht der Vergötterung oder eine Autogrammwunsches. Ich wollte nnur wissen, was es praktisch mit meiner Überlegung auf sich habe und wie sich das anfühle. Ich fand damals Robert De Niro und seine Vorbereitung seiner Rolle im Boxerfilm „Raging Bull“ fabelhaft. Er hatte sich nämlich lange und „in Wirklichkeit“ in die Rolle eines Boxers begeben, hatte typische Reaktionsweisen und Einstellungen gelernt, um sie in seine Rolle aufzunehmen. Es war, so dachte ich damals, genau das, was ich vermutet hatte und weshalb ich zumindest bestimmten Schauspielern eine gewisse Weisheit zugeschrieben hätte, eine Einsicht in die Zwanghaftigkeit bestimmter Rollen. Ich erwog sogar die Möglichkeit, dass sich durch den Beruf des Schauspielers sogar eine bestimmte Form der Weisheit würde ergeben können, die unter anderem auch dem alten William Shakespeare folgen würde, der ja einst formuliert hatte, dass das ganze Leben ein Theaterstück sei und wir nur die Rollen wahrnehmen würden. So gut ich konnte, formulierte ich diese Gedanken in meinen Briefen. Leider hat sich nie eine Antwort ergeben. Keine der Damen hat auch nur oberflächlich darauf geantwortet. Heute ziehe ich für solch ein Verhalten schon deutlich mehr die Form einer gewissen „Professionalität“ in Betracht, die sich für eine gewisse Zeit gewisse Merkmals anverwandeln kann, um sie später genau so schnell wieder abzulegen. Die Schauspielerei ist wohl abseits der sogenannten Lee-Strassberg-Schule solchem beruflichen "Können" verpflichtet.  

Sonntag, 26. März 2017

Natur und Mensch

Wir sollten öfter mal rausgehen in die Natur, um uns dort zu finden. Uns selbst. Das las ich neulich als guten Ratschlag eines Philosphenpsychologen. Das Ganze empfinden, inklusive der Geschöpfe, Pflanzen und Lebewesen. In dem anderen uns selbst erkennen. Schön wär's. Wenn ich mich zu einem geschwinden Spaziergang aufmache, erlebe ich das kaum. Es braucht womöglich so etwas wie jene Nachhaltigkeit und Gelassenheit, die mit einem Job zu vereinbaren unter Umständen nicht ganz einfach ist. Ich sollte einen gewissen Aufwand dafür treiben und die Wichtigkeit für mich zu realisieren versuchen. Wir sollten auch nicht durch tiefere Sorgen abgelenkt sein.Was wir suchen, ist ein Gefühl der Verbundenheit, auch mit dem anderen Menschen. Mit dem Ganzen. Eine Art Mitleiden. Was uns entgegen kommt und was wir mögen, ist, dass beispielsweise Hunde nicht über uns urteilen, sondern uns so sein lassen, wie es ist. Sie geben sich damit ab. Sie akzeptieren es. Sie sind offen dafür, das es so ist, wie es ist. Manches ist ihnen auch aufgetragen, von der Art, von der Gattung. Sie versuchen, das Beste draus zu machen. Sie bringen es zusammen mit sich, entwickeln sich daran weiter, sie machen es zu Sinn. Dazu gehört auch das Vergehen und der Tod. Sie sind ein Teil dessen und wissen in ihrer Art darum. Sie haben es in ihren Ausschnitt der Wirklichkeit integriert. 

Samstag, 25. März 2017

Sozialneid

Ein Wort wird gerne unterstellt und aufgerufen, wenn es um Verteilung von Kohle geht: Sozialneid. Als sei jegliche grundsätzliche Kritik und konkrete Kritik an den Auswüchsen eines Systems auf „Sozialneid“ begründet (welch hässliche Eigenschaft!). Es wird mit diesem Begriff gerne wie mit einem Totschlagargument umgegangen, um alles zu ersticken, was sich auch bloß sachte in diese Richtung äußert. Dabei ist unsere Gesellschaft inzwischen so weit fortgeschritten, dass das Wort eine andere Färbung annimmt. Ist es etwa „Sozialneid“, wenn man sich über die ungleiche Verteilung von Einkommen auf dieser Welt äußert. Wenn man findet, dass Manager zu viel im Verhältnis zur breiten Masse ihrer „Zuträger“ verdienen (selbst etablierte Parteien und Aktionärsvereinigungen scheinen ja inzwischen auf dieses Thema gekommen zu sein...)? Ist es Sozialneid, wenn man beispielsweise den „Erfolg“ eines seltsamen Typens wie Donald Trump anzweifelt, weil er schon pleite gegangen war, aber von den Banken als „Too big to fail“ angesehen wurde? Der Mann hat immerhin seine Steuererklärung nicht veröffentlicht, nimmt aber als Wahlstimmen gerne den Beifall der armen weißen Bevölkerung auf, der es schon einmal besser gegangen ist und die für „Heilsbringer“ mit einer klaren Ansprache empfänglich ist? Immerhin scheint sich Trump immer noch auf relativ große Zustimmungswerte zu stützen. Was wäre daran unrecht und hässlich, solche einigermaßen durchschaubare Mechanismen anzuzweifeln? Wenn man findet, dass gewisse Leute viel Geld im Schlaf verdienen, während andere im Schweise ihres Angesichts zu nichts kommen? Ob dies alles durch Qualifikation und Ausbildung begründet ist? Oder gar durch „Leistung“? Darf man es unmoralisch finden, wenn gewisse Leute ihren Reichtum offensiv durch regelmäßige Hubschrauberflüge, Swimmingpoolbeheizungen, 8-Zylinder-Limousinen, teure Yachten und fette Motoren zur Schau tragen, während andere nicht wissen, wie sie von A nach B kommen sollen? Ist das der Motor unseres Fortschritts, oder ist dieser Motor durch groteske Verhältnisse längst abgewügt? Welche Rolle spielen dabei die reichen Golfstaaten und welche Oligarchenreiche wie die USA, die Türkei oder Russland? 

Donnerstag, 23. März 2017

Schopi und der Tod

Aus meiner Lektüre von Arthur Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“ habe ich das Folgende herauskopiert:
Der Tod ist die große Zurechtweisung, welche der Wille zum Leben, und näher der diesem wesentliche Egoismus, durch den Lauf der Natur erhält; und er kann aufgefaßt werden als eine Strafe für unser Daseyn. Er ist die schmerzliche Lösung des Knotens, den die Zeugung mit Wollust geschürzt hatte, und die von außen eindringende, gewaltsame Zerstörung des Grundirrthums unsers Wesens: die große Enttäuschung. Wir sind im Grunde etwas, das nicht seyn sollte: darum hören wir auf zu seyn. – Der Egoismus besteht eigentlich darin, daß der Mensch alle Realität auf seine eigene Person beschränkt, indem er in dieser allein zu existiren wähnt, nicht in den andern. Der Tod belehrt ihn eines Bessern, indem er diese Person aufhebt, so daß das Wesen des Menschen, welches sein Wille ist, fortan nur in andern Individuen leben wird, sein Intellekt aber, als welcher selbst nur der Erscheinung, d.i. der Welt als Vorstellung, angehörte und bloß die Form der Außenwelt war, eben auch im Vorstellungseyn, d.h. im objektiven Seyn der Dinge als solchem, also ebenfalls nur im Daseyn der bisherigen Außenwelt, fortbesteht.
Sein ganzes Ich lebt also von jetzt an nur in Dem, was er bisher als Nicht-Ich angesehn hatte: denn der Unterschied zwischen Aeußerem und Innerem hört auf. Wir erinnern uns hier, daß der bessere Mensch der ist, welcher zwischen sich und den Andern den wenigsten Unterschied macht, sie nicht als absolut Nicht-Ich betrachtet, während dem Schlechten dieser Unterschied groß, ja absolut ist; – wie ich dies in der Preisschrift über das Fundament der Moral ausgeführt habe. Diesem Unterschiede gemäß fällt, dem Obigen zufolge, der Grad aus, in welchem der Tod als die Vernichtung des Menschen angesehn werden kann. – Gehn wir aber davon aus, daß der Unterschied von Außer mir und In mir, als ein räumlicher, nur in der Erscheinung, nicht im Dinge an sich gegründet, also kein absolut realer ist; so werden wir in dem Verlieren der eigenen Individualität nur den Verlust einer Erscheinung sehn, also nur scheinbaren Verlust. So viel Realität jener Unterschied auch im empirischen Bewußtseyn hat; so sind doch, vom metaphysischen Standpunkt aus, die Sätze: »Ich gehe unter, aber die Welt dauert fort«, und »Die Welt geht unter, aber ich dauere fort«, im Grunde nicht eigentlich verschieden.

Ueber dies Alles nun aber ist der Tod die große Gelegenheit, nicht mehr Ich zu seyn: wohl Dem, der sie benutzt. Während des Lebens ist der Wille des Menschen ohne Freiheit: auf der Basis seines unveränderlichen Charakters geht sein Handeln, an der Kette der Motive, mit Nothwendigkeit vor sich. Nun trägt aber Jeder in seiner Erinnerung gar Vieles, das er gethan, und worüber er nicht mit sich selbst zufrieden ist. Lebte er nun immerfort; so würde er, vermöge der Unveränderlichkeit des Charakters, auch immerfort auf die selbe Weise handeln. Demnach muß er aufhören zu seyn was er ist, um aus dem Keim seines Wesens als ein neues und anderes hervorgehn zu können, Daher löst der Tod jene Bande: der Wille wird wieder frei: denn im Esse, nicht im Operari liegt die Freiheit: Finditur nodus cordis, dissolvuntur omnes dubitationes, ejusque opera evanescunt, ist ein sehr berühmter Ausspruch des Veda, den alle Vedantiker häufig wiederholen. Das Sterben ist der Augenblick jener Befreiung von der Einseitigkeit einer Individualität, welche nicht den innersten Kern unsers Wesens ausmacht, vielmehr als eine Art Verirrung desselben zu denken ist: die wahre, ursprüngliche Freiheit tritt wieder ein, in diesem Augenblick, welcher, im angegebenen Sinn, als eine restitutio in integrum betrachtet werden kann. Der Friede und die Beruhigung auf dem Gesichte der meisten Todten scheint daher zu stammen. Ruhig und sanft ist, in der Regel, der Tod jedes guten Menschen: aber willig sterben, gern sterben, freudig sterben, ist das Vorrecht des Resignirten, Dessen, der den Willen zum Leben aufgiebt und verneint. Denn nur er will wirklich und nicht bloß scheinbar sterben, folglich braucht und verlangt er keine Fortdauer seiner Person. Das Daseyn, welches wir kennen, giebt er willig auf: was ihm statt dessen wird, ist in unsern Augen nichts; weil unser Daseyn, auf jenes bezogen, nichts ist. Der Buddhaistische Glaube nennt jenes Nirwana, d.h. Erloschen.“

Dienstag, 21. März 2017

Sozialisation und Identität

Noch ein Auszug aus meinem Script/aus den Aufschreiben aus Zeiten meines Soziologie-Studiums. Keine Ahnung wo ich das Material dazu aufgeschnappt hatte, es steht heute in meinen Scripten:
Identität ist der „sozialisierte Teil des Selbst“. „Nur wenn Andere meine Identität bestätigen, wird das Individuum Wirklichkeit. Identität ist das Ergebnis des Zusammenwirkens von Identifizierung und Selbstidentifikation. Das gilt sogar für Identitäten, die sich manche Menschen erfinden und sich zurecht legen.“ Ob das zur Erkenntnis von Menschen wie Donald Trump beitragen könnte? Menschen, die sich eine Wirklichkeit zurecht legen und alles andere als „Fake News“ denunzieren glauben zu können? Das, was nicht mit meiner Realität übereinstimmt, wird ausgeblendet oder einfach als unzutreffend bezeichnet. Das heißt: Es existiert nicht, weil ich es nicht anerkenne. Gewisse Sektenidiologien scheinen meiner Meinung nach auch so zu funktionieren, Machtidiologien und Religionen tun das sowieso. Das, was ins Weltbild passt, wird gesehen und anerkannt. Das andere wird geleugnet, verdrängt oder sonstwie ausgeblendet. Daraus wird dann eine gemeinschaftliche Identität konstruiert (oft auch zum Nutzen und Profit einzelner Personen). Es heißt, dazu zu gehören. Und nicht außerhalb zu stehen. Wer dazu gehört und wer außerhalb steht, bestimmt im verschärften Falle eine diktatorische Führerfigur. 

Montag, 20. März 2017

Sozialisation

Das habe ich beim Durchblättern alter Unterlagen aus meinem Soziologie-Studium entdeckt: wichtige Pflöcke, die einst in mein Bewusstsein gerammt wurden und die ich heute beim Durchsehen als Grundrüstzeug und als eine Art "zweite Sozialisation" wiedererkenne. Wow, das war damals für mich neu! Keine Ahnung, wobei diese Notizen entstanden sind, mein Script gibt da leider keinen Hinweis: „Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das beginnt schon bei der Geburt, nach der er anhaltend auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen ist. Hunger und Durst werden von diesen gestillt. Behagen und Unbehagen haben ihren Grund im Tun oder Unterlassen anderer. Fast jeder Aspekt des Kindlichen ist verbunden mit anderen Menschen. Der Vorgang, in dem ein Mensch lernt, dass er zur Gesellschaft gehört, nennt sich „Sozialisation“. Dabei kommt es unter anderem zur Einprägung gesellschaftlicher Verhaltensmodelle. Die Sozialisation ist die Einführung in die soziale Welt, ihre vielen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und der Sinnsetzungen.Das eigentliche Vehikel von Sozialisation ist die Sprache. Das Kind wird durch die Gesellschaft so geformt und so zurecht gebildet, dass sie es als zugehörig und an ihr beteiligt anerkennen kann.

Sonntag, 19. März 2017

Loosing my religion and other things

Da ist beispielsweise die Entscheidung, wo jemand sich beerdigen lassen will, zu welcher Gemeinschaft er sich dadurch bekennen oder nicht bekennen will: es gibt also eine Wahl, der sich ein modernes Individuum überall stellen muss. Nicht mehr die Tradition organisiert ein Leben. Dadurch wird keine bestimmte und relativ genau definierte Rolle mehr angeboten, sondern Individuen müssen ständig selbst entscheiden, wer und was sie denn in welchem Zusammenhang sein wollen. Dazu sind wir befreit, aber auch verdammt und verurteilt. Jeder muss sich selbst zu einem „Projekt“ machen, wodurch auch das Risiko des Scheiterns dramatisch steigt. Mutmaßlich hat man unendlich viele Wahlmöglicheiten, wodurch sich das eigene Leben aber als fortwährend begrenzt erweist. Dies zieht natürlich entsprechende Frustrationen nach sich, was die sogenannte „Frustrationstoleranz“ immer wichtiger werden lässt. Es geht bei diesem Begriff darum, gewisse Fehlschläge in mannigfacher Hinsicht verkraften zu können, mit Bedürfnisverweigerungen von Seiten der Umgebung zurecht zu kommen und die Schere zwischen dem, was man hätte erreichen können, und dem, was man erreicht hat, besser aushalten zu können.
Aber auch das Bedürfnis nach Sinnfindung ist allgegenwärtig. Sinn wird dabei vor allem im persönlichen Bereich gefunden, unter anderem in einem sehr individuell angelegten Glauben an Werte und Normen, der als individuell veränderbar und meinem Profil anpassbar erscheint. Gleichzeitig wächst aber auch der Druck, etwas aus seinem Leben machen zu müssen. Ein Leben in Sicherheit? In mir angemessenen Formen? Ob meine Kraft dafür ausreicht? Wie kann ich angesichts dessen bestehen? Was wird aus mir und wann werde ich es? Wie kann ich mich möglichst optimal entwickeln? Menschen am Anfang ihrer bürgerlichen Existenz und ihres nach einer Initiation wahrgenommen Lebens müssen Antworten ganz alleine finden. Dabei wächst das Bedürfnis nach einem Orientierungsrahmen, einer Vorgabe von außen, die klare Richtungen weist. Selbstbestimmung erweist sich insofern auch als dauernde Last, wird zu einer Aufgabe, der jemand ständig nicht genügt. Orientierung und Reduzierung der Unübersichtlichkeit des Lebens ist gefragt: Freunde und Familie sind hierzulande in diese Rolle der Beratungsinstanz geschlüpft, die anderswo die Religion ausfüllt. 

Samstag, 18. März 2017

Alte Lieder

Da sind sie nun! Da habt ihr sie,
Die Lieder, ohne Kunst und Müh'
Am Rand des Bachs entsprungen!
Verliebt und jung und voll Gefühl
Trieb ich der Jugend altes Spiel
Und hab' sie so gesungen.



Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) 

Freitag, 17. März 2017

Liebe zur Erde

Wir versuchen, uns in die Rolle von Weltbürgern einzufühlen. Wir halten die Rennaissance von Nationalstaaten für Quatsch, Unsinn, überholtes Zeugs und Abfall aus dem 19. und 20. Jahrhundert, als das noch eine andere Rolle gespielt hat. Mit den heutigen Kommunikationsmitteln können wir überall sein, haben auch ein Empfinden dafür, können besser kapieren, dass wir auf der ganzen Welt zuhause sind. Was ist das Artensterben, die Klimakatastrophe, atomare Verseuchung und Vernichtung, macht so etwas an Grenzen halt? Wir sind in Lissabon, Florenz und Rom, wir lernen Europa kennen und lieben. Unsere Identität ist an großartige Schöpfungen gekoppelt, nahe dran, aber auch weit weg. Wir waren in den USA und lernten das Land lieben. Was kann es für die Administration um es herum? Es ist. Es ist neutral. Es hat damit nichts zu tun und war ausgeliefert. Open Skies. Wir lernten es etwas besser kennen, auch darin, dass es uns heute sehr endlich und schutzbedürftig erscheint, während es Menschen früherer Generationen als unendlicher Raum vorkam. Wir staunen über die Schönheit, die sich hier auftut. Wir müssen nur die Augen dafür öffnen. Die Weite ergreift uns, zieht uns hinein, verschlingt uns, Wir können die Pioniere besser verstehen, die einst vor europäischen Verengungen geflohen waren, die sich eine neue Existenz beackerten. Die es versuchten. Die nah am Risiko waren. Die das Lebensrisiko spürten. Viele von ihnen sind gestorben. Wir sind einen Moment davon erschüttert. Wir spüren den Grand Canyon. Dann geht auch dies auf in einem Flow, dem wir eines Tages angehören werden, in dem wir untergehen werden. 

Donnerstag, 16. März 2017

Fotos, Blicke, Momente

Natürlich gibt es technisch bessere, trickreichere, schärfere, gekonntere Fotos, als die, die ich hier in diesem Blog abgebildet habe! Das weiß ich auch. Aber diese hier sind in dieser Form durch mich in dem festgehaltenen Moment hindurch gegangen, sie entsprechen meinen jeweiligen technischen Möglichkeiten, ich habe mich teilweise sehr wenig an ihnen verkünstelt, habe viele sehr sporadisch aus meinem persönlichen Blickwinkel gemacht. Sie sind ein Blick durch meine Augen, mein Bewusstsein. Es ist kein Fremdbild aus nicht erlebter Perspektive dabei (außer, ich hätte es exakt so wie abgebildet erlebt....), sondern sie weisen auf meine eigenen Blickwinkel, die mein Bewusstsein geformt haben, so, wie etwa die Erosion die Sandsteinfelsen in Canyon de Chelley! Ich habe versucht, viel von dem Abgebildeten in mich aufzunehmen, habe es in mich hinein gelassen, es hat mich jeweils verändert und kennzeichnet meinen persönlichen „Way of Life“. Ja, man ist bestimmte Wege gegangen und nicht andere! Ja, es ist meine Form des Narzissmus! Es ging mir insofern nicht um die jeweilige Meisterschaft des Fotos, sondern um das Festhalten eines prägenden Moments, eines Augenblicks, der durch mich prägend hindurch ging, in dem ich lebte und der später mein Bewusstsein beeinflusste. Ich hatte dabei nicht immer Spitzenkameras zur Hand, seltene und edle Objektive, oder was sonst noch alles zu einem großartigen Fotografen gehören mag. 
Letztenendes aber kocht auch dieser oft propagierte großartige Fotograf nur mit Wasser, so sage ich mir. Es geht manchmal auch im Inhalte und weniger um die Form. In der Form und Art, die ich hier benutzt habe, ging es immer um einen Blick und einen Moment. Wobei ich (beispielsweise bei meinem ersten Foto) auch ungewöhnliche Perspektiven abbilden wollte, die etwas von dem Titel des Blogs anreißen sollten. Etwas aus einem anderen Winkel betrachten, es dadurch etwas besser erfassen. An all dem werde ich festhalten. Es gibt also keine prächtige Fotogalerie hier, sondern festgehaltene Blicke, die das Bewusstsein, das hier zur Sprache kommt, oft nachhaltig geprägt haben. Die abgebildeten Orte sind mir aus den verschiedensten Gründen dabei auch oft lieb geworden, ich besuche sie häufig noch einmal, (oder zweimal, oder vielmal), um ihre Eigenartigkeiten besser ergründen zu können, sie in mich aufzunehmen. Ihre Botschaft für mich zu vernehmen. Natürlich ist das egal. Objektiv ist nahezu alles egal. Die Gleichgültigkeit macht alles gleich. Ein bisschen mag's wie das Schwenken meines Erkennungszeichens sein, das ich hier veranstalte. Ein Spleen auch.    

Mittwoch, 15. März 2017

Wille und Vorstellung (Schopi)

So grundsätzlich über etwas nachdenken? Eine "Ansicht" entwickeln, eine Sicht auf etwas? Etwas, das wir selbst sein könnten, was unsere Identität berührt? Arthur Schopenhauer schreibt in seinem Werk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ (jawohl es gibt hier keine Schreibfehler, sondern auch die schriftliche Sprache hat sich verändert) das Folgende. Anyway, hier sei jedenfalls ein Brocken davon hingeworfen:


„Der Wille, welcher unser Wesen an sich ausmacht, ist einfacher Natur: er will bloß und erkennt nicht. Das Subjekt des Erkennens hingegen ist eine sekundäre, aus der Objektivation des Willens hervorgehende Erscheinung: es ist der Einheitspunkt der Sensibilität des Nervensystems, gleichsam der Fokus, in welchem die Strahlen der Thätigkeit aller Theile des Gehirns zusammenlaufen. Mit diesem muß es daher untergehn. Im Selbstbewußtseyn steht es, als das allein Erkennende, dem Willen als sein Zuschauer gegenüber und erkennt, obgleich aus ihm entsprossen, ihn doch als ein von sich Verschiedenes, ein Fremdes, deshalb auch nur empirisch, in der Zeit, stückweise, in seinen successiven Erregungen und Akten, erfährt auch seine Entschließungen erst a posteriori und oft sehr mittelbar. Hieraus erklärt sich, daß unser eigenes Wesen uns, d.h. eben unserm Intellekt, ein Räthsel ist, und daß das Individuum sich als neu entstanden und vergänglich erblickt; obschon sein Wesen an sich ein zeitloses, also ewiges ist. 

Wie nun der Wille nicht erkennt, so ist umgekehrt der Intellekt, oder das Subjekt der Erkenntniß, einzig und allein erkennend, ohne irgend zu wollen. Dies ist selbst physisch daran nachweisbar, daß, wie schon im zweiten Buch erwähnt, nach Bichat, die verschiedenen Affekte alle Theile des Organismus unmittelbar erschüttern und ihre Funktionen stören, mit Ausnahme des Gehirns, als welches höchstens mittelbar, d.h. in Folge eben jener Störungen, davon afficirt werden kann. Daraus aber folgt, daß das Subjekt des Erkennens, für sich und als solches, an nichts Antheil oder Interesse nehmen kann, sondern ihm das Seyn oder Nichtseyn jedes Dinges, ja sogar seiner selbst, gleichgültig ist. Warum nun sollte dieses antheilslose Wesen unsterblich seyn? Es endet mit der zeitlichen Erscheinung des Willens, d.i. dem Individuo, wie es mit diesem entstanden war. Es ist die Laterne, welche ausgelöscht wird, nachdem sie ihren Dienst geleistet hat. Der Intellekt, wie die in ihm allein vorhandene anschauliche Welt, ist bloße Erscheinung; aber die Endlichkeit Beider ficht nicht Das an, davon sie die Erscheinung sind. Der Intellekt ist Funktion des cerebralen Nervensystems; aber dieses, wie der übrige Leib, ist die Objektität des Willens. Daher beruht der Intellekt auf dem somatischen Leben des Organismus: dieser selbst aber beruht auf dem Willen. Der organische Leib kann also, in gewissem Sinne, angesehn werden als Mittelglied zwischen dem Willen und dem Intellekt; wiewohl er eigentlich nur der in der Anschauung des Intellekts sich räumlich darstellende Wille selbst ist. Tod und Geburt sind die stete Auffrischung des Bewußtseyns des an sich end- und anfangslosen Willens, der allein gleichsam die Substanz des Daseyns ist (jede solche Auffrischung aber bringt eine neue Möglichkeit der Verneinung des Willens zum Leben). Das Bewußtseyn ist das Leben des Subjekts des Erkennens, oder des Gehirns, und der Tod dessen Ende. Daher ist das Bewußtseyn endlich, stets neu, jedesmal von vorne anfangend. Der Wille allein beharrt; aber auch ihm allein ist am Beharren gelegen: denn er ist der Wille zum Leben. Dem erkennenden Subjekt für sich ist an nichts gelegen. Im Ich sind jedoch Beide verbunden. – In jedem animalischen Wesen hat der Wille einen Intellekt errungen, welcher das Licht ist, bei dem er hier seine Zwecke verfolgt. – Beiläufig gesagt, mag die Todesfurcht zum Theil auch darauf beruhen, daß der individuelle Wille so ungern sich von seinem, durch den Naturlauf ihm zugefallenen Intellekt trennt, von seinem Führer und Wächter, ohne den er sich hülflos und blind weiß.“

Dienstag, 14. März 2017

Nummer Eins

Volkswagen ist nun wieder die Nummer Eins. Auf nahezu allen Gebieten. Weltweit. Verdient wieder Milliarden. Abgasdesaster hin oder her. Vergleiche halfen, Strategien zur Abwehr traten in Kraft, es wurde gespart. Ob uns das etwas sagen kann, über den Umgang mit Unternehmen, mit Firmen, mit anderen Staaten, über den Umgang mit uns selbst? Ob dabei merkantile, also kaufmännische Interessen eine große Rolle spielen? Ein bisschen Lüge wird ja noch erlaubt sein. Werbung macht das ja auch, dauernd. Ein bisschen Schummelei gehört zum Geschäft. Grauhaarige oder glatzköpfige Herren besetzen Entscheiderstühle und hauen eben mal ein paar freche Bemerkungen raus. Sind sich keiner Schuld bewusst. Entlassen Leute, stellen und setzen frei. Bedienen sich am Pool der Leiharbeiter. Bauen ab. Rationalisieren. Lenken Firmengeschicke. Wird ja alles wieder gut. Der Staat hilft da gerne mit. Sitzt ja mit im Aufsichtsrat. Und spätestens hier führt eine Linie zum neu ausgerufenen „Postfaktizismus“ oder den „Alternative Facts“. Es geht um gefühlte Wahrheiten, denen mit Macht Nachdruck verschafft wird. Tatsachen behaupten, nur Populisten lügen? Solange es „der Wirtschaft“ nützt? Aber wem nützt „die Wirtschaft“? Und wem nützt es, wenn sich in der Öffentlichkeit ein Strukturwandel vollzieht? Fakten reihen sich ein, gehen in einem „Narrativ“ auf und nehmen je nach Weltanschauung verschiedene Farben an. Fragen an solche Erzählungen („Narrative“) zu stellen, darum ginge es. Den großen Vereinfachungsformeln nicht so einfach glauben, weil die Welt halt unübersichtlicher geworden ist. Entschädigungen? Ja, aber..... andere sind ja auch....? Überschreitungen auch nach an Technokraten delegierten Updates? Hm. Wieder getäuscht. Nichts dazu gelernt.   

Sonntag, 12. März 2017

Lebenslotterie

Die Lotterie des Lebens: wir leben hier in Deutschland noch in einer Gesellschaft der bürgerlichen Grundrechte, in der zwar dem Wirtschaftswachstum auch vieles geopfert wird, aber nicht die Bürgerrechte, den Rechtsstaat, die Demokratie. In anderen Staaten scheint dagegen das Wachstum über alles zu gehen, sogar über das menschliche Leben. Führer schwingen sich auf, erobern oder behaupten die Spitze, bis auch sie unter Unständen gar niedergemetzelt werden. Das Leben in seiner vitalistischen Funktion erlebt auch heute noch fröhliche Urständ': "Fressen, Saufen, Ficken". Oder wie T.S. Elliott es ausdrückte: „Birth, Death, Copulation, that's all....“. Fortschritt könnte bedeuten, einen kleinen zivilisatorischen Schritt darüber hinaus zu wagen, - weil wir Menschen sind. Dass dieser Gedanke weltweit auf dem Rückzug erscheint, gehört zur großen Tragik des menschlichen Geschlechts, genau so, wie die selbstverursachte Klimakatastrophe, die damit verbundene Umweltzerstörung und das Artensterben. Der Mensch will sich wohl als „Alleinherrscher“ die Erde untertan machen. Dabei könnte alleine schon der Ausbruch eines Supervulkans seine Existenz in kurzer Zeit vernichten. Von Bedrohungen aus dem Weltraum wie etwa niederstürzenden Meteoriten oder Asteroiden ganz zu schweigen. Woher nimmt der Mensch seine Arroganz seinesgleichen gegenüber, aber auch der Erde und ihren Geschöpfen? Es ist leicht, solche Überlegungen als „moralisch“ abzuqualifizieren, sie als untauglichen Versuch darzustellen, über das unvermeidlich Faktische kritisch nachzudenken. Dabei wäre dies scheinbar „unvermeidliche“ keineswegs so. Es sind dies Denk- und Verhaltensformen, die sich schwache Menschen zu eigen gemacht haben, die glauben, vom gegenwärtigen Zustand profitieren zu können. 

Samstag, 11. März 2017

Religionen und Glauben

Ich stehe relativ fassungslos den religiösen Konflikten unserer Zeit gegenüber. Dieser Absolutheitsanspruch ist schon seltsam! Man muss nicht unbedingt an die Aufklärung und Lessings „Nathan der Weise“ denken, um es relativ vernünftig zu finden, dass jeder Mensch sich nach seinen Vorstellungen ausrichten können muss und dann sein gedeihliches Auskommen mit Andersgläubigen finden könnte. Das Wichtige wäre nur, eine gemeinsame spirituelle Basis empfinden zu können und vielleicht sogar darüber kommunizieren zu können. Diese Basis könnte besagen: 1.) Es gibt etwas Größeres als den Menschen. 2.) Es gibt etwas, was jenseits der ökonomischen „Verwertbarkeit“ liegt und dem Menschen (jedem! Auch dem „Ungläubigen“!!) eine Würde gibt. Es könnte auch gut sein, dass die Gesellschaft, in die ich mehr oder weniger per Zufall hineingeboren werde, mich auch religiös weitgehend bestimmt hat. An dieser Stelle könnte es sehr förderlich sein, sich über die eigene Religion hinaus über andere Weltansichten zu informieren, sie auch ein Stück weit an mich heran zu lassen, um so feststellen zu können, dass sie aus ihrer Warte ihre „Antworten“ auf allgemeine menschliche Fragen versuchen. Kirche jedoch, als Institution der kollektiven Religionsausübung, neigt zu hierarchischen Strukturen und einer Dogmatik, die derartig in Stein gemeißelt gar nicht ist. Sie macht ein Angebot (jeweils beruhend auf „Offenbarungen“, die aber jeweils überliefert sind...), das keinesfalls absolut gilt, auch wenn die ihre Strukturen und die (Macht-)strukturen um sie herum dies immer wieder zu suggerieren scheinen. Wir alle sind Suchende und tragen eine Ahnung in uns. Das ist das Verbindende. Das eint uns.  

Freitag, 10. März 2017

Wirtschaftlicher Erfolg und Kritik

Ein Gespenst begegnet mir immer wieder. Ich wolle Deutschland schlecht reden. Ich würde mich in Stänkereien oder Meckereien ergehen, würde alles zu negativ sehen. Gerade in den Medien begegnet uns immer wieder die Behauptung, Deutschland gehe es gut, so gut wie kaum zuvor. Ob ich diese Einschätzung teile oder nicht, erscheint mir relativ egal. Wichtig ist, dass diese Behauptung auf rein wirtschaftlichen Parametern beruht, deren Gültigkeit ich als soziologisch ausgebildeter Statistiker auch noch anzweifle. Hinzu kommt, dass es wohl auch noch andere Parameter gibt. Die ausgegebenen Zahlen jedenfalls scheinen eine solche Sprache des wirtschaftlichen Erfolgs zu sprechen. Ist aber jener schon ein Meckerer, der auf begrenzte Gültigkeiten, auf bestimmte Validitäten hinzuweisen traut? Wer im konkreten Falle auf Polarisierungen und ungleiche Verteilung von Risiken und Geld hinweist? Wer jener Grundlage nachzugehen versucht, die den Profiteuren solcher Verhältnisse Legitimation verleiht? Wer sind überhaupt die Profiteure? Wir alle? Wer darauf hinweist, dass ein übergroßer Erfolg im Export mit dem Misserfolg anderer und hin und wieder sogar mit der Ausbeutung anderer (-->Afrika) zu tun hat? Ist einer ein Schelm, der Ungutes und so etwas wie ein Mittel zum Zweck dahinter vermutet, wenn dauernd der angebliche Wohlstand aller behauptet wird und ungleiche Verteilungen geleugnet werden? Wer ist „wir“? Wollen bestimmte Kräfte in unserer Gesellschaft etwas zudecken, etwas schönreden? Ein „Wir“ gar, nach Art der Populisten? Leben sie gar in einer eigenen Politik-Blase, in der Mangel und Unsicherheit gar nicht mehr als Erfahrungen vorkommen? Ist ihr Abstand zu denen, die sie zu vertreten vorgeben, allzu groß geworden? Gibt es nicht allseits bekannte Schwächen, die in den Lobby- und Interessenvertretungen liegen, die sich gerne Entscheidungsträger wie etwas Parlamentarier zur „Bearbeitung“ vorknöpfen? Was könnte Demokratie bedeuten?  

Mittwoch, 8. März 2017

Schopenhauer sagt

Arthur Schopenhauer sagt: "So weilt Alles nur einen Augenblick und eilt dem Tode zu. Die Pflanze und das Insekt sterben am Ende des Sommers, das Thier, der Mensch, nach wenig Jahren: der Tod mäht unermüdlich. Desungeachtet aber, ja, als ob dem ganz und gar nicht so wäre, ist jederzeit Alles da und an Ort und Stelle, eben als wenn Alles unvergänglich wäre. Jederzeit grünt und blüht die Pflanze, schwirrt das Insekt, steht Thier und Mensch in unverwüstlicher Jugend da, und die schon tausend Mal genossenen Kirschen haben wir jeden Sommer wieder vor uns. Auch die Völker stehen da, als unsterbliche Individuen; wenn sie gleich bisweilen die Namen wechseln; sogar ist ihr Thun, Treiben und Leiden allezeit das selbe; wenn gleich die Geschichte stets etwas Anderes zu erzählen vorgibt: denn diese ist wie das Kaleidoskop, welches bei jeder Wendung eine neue Konfiguration zeigt, während wir eigentlich immer das Selbe vor Augen haben. Was also dringt sich unwiderstehlicher auf, als der Gedanke, daß jenes Entstehen und Vergehen nicht das eigentliche Wesen der Dinge treffe, sondern dieses davon unberührt bleibe, also unvergänglich sei, daher denn Alles und Jedes, was daseyn will, wirklich fortwährend und ohne Ende da ist. Demgemäß sind in jedem gegebenen Zeitpunkt alle Thiergeschlechter, von der Mücke bis zum Elephanten, vollzählig beisammen. Sie haben sich bereits viel Tausend Mal erneuert und sind dabei die selben geblieben. Sie wissen nicht von Andern ihres Gleichen, die vor ihnen gelebt, oder nach ihnen leben werden: die Gattung ist es, die allezeit lebt, und, im Bewußtseyn der Unvergänglichkeit derselben und ihrer Identität mit ihr, sind die Individuen da und wohlgemuth. Der Wille zum Leben erscheint sich in endloser Gegenwart; weil diese die Form des Lebens der Gattung ist, welche daher nicht altert, sondern immer jung bleibt. Der Tod ist für sie, was der Schlaf für das Individuum, oder was für das Auge das Winken ist, an dessen Abwesenheit die Indischen Götter erkannt werden, wenn sie in Menschengestalt erscheinen. Wie durch den Eintritt der Nacht die Welt verschwindet, dabei jedoch keinen Augenblick zu seyn aufhört; eben so scheinbar vergeht Mensch und Thier durch den Tod, und eben so ungestört besteht dabei ihr wahres Wesen fort. Nun denke man sich jenen Wechsel von Tod und Geburt in unendlich schnellen Vibrationen, und man hat die beharrliche Objektivation des Willens, die bleibenden Ideen der Wesen vor sich, fest stehend, wie der Regenbogen auf dem Wasserfall. Dies ist die zeitliche Unsterblichkeit. In Folge derselben ist, trotz Jahrtausenden des Todes und der Verwesung, noch nichts verloren gegangen, kein Atom der Materie, noch weniger etwas von dem innern Wesen, welches als die Natur sich darstellt. Demnach können wir jeden Augenblick wohlgemuth ausrufen: „Trotz Zeit, Tod und Verwesung, sind wir noch Alle beisammen!“

Dienstag, 7. März 2017

Beziehungsfragen

Immer wieder staune ich darüber, wie sehr sich Paare gegenseitig eine Meinung zu eigen machen, - und sei sie noch so absurd. Es wird eisern dasselbe vertreten, was der Partner auch vertritt – und umgekehrt. Natürlich soll dadurch nach außen Gemeinsamkeit vertreten werden. Auch haben sich die beiden möglicherweise über eben solche Fragen gefunden, was als Basis einer Gemeinsamkeit dann ausgereicht hat. Aber teilweise verliert das alles an Wirkung, wenn mir gegenüber ein Teil eines Paares alleine eine Meinung vertritt, die auch sein Partner hat, ja, die ich davon kenne. Das ziemlich Groteske daran: Trennen sich die beiden, haben sie plötzlich wieder völlig konträre Meinungen. Besonders ausgeprägt scheint dies seltsame Merkmal von „Beziehungen“ nicht nur im Hinblick auf begründete Meinungen, sondern auch bei Geschmacksfragen, ja sogar Geschmäcklereien so zu sein. Es scheint also so zu sein, dass dabei nicht der Inhalt einer Meinung im Vordergrund steht, sondern die wie auch immer geartete Demonstration von Gemeinsamkeit. Wie aber soll man mit so jemandem diskutieren? Was gilt? Blöd nur, dass sich so etwas so schnell auflöst. So schnell, wie heutzutage menschliche Bindungen und Beziehungen sich auflösen. Die dafür vorgesehenen Phrasen stehen doch alle bereit: man habe sich auseinander gelebt, man habe jetzt andere Interessen, Menschen würden sich weiter entwickeln... usw. 

Montag, 6. März 2017

Das Positive, das Lächelnde

Das Positive“, das ewig Lächelnde und rundherum „Glückliche“ erinnert unter anderem an Aldous Huxleys in „Brave new World“ in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ausformulierten Vision einer „Neuen Welt“. Alles sollen alles möglichst positiv sehen und für sich deuten, mag es im Einzelfaall noch so beschissen sein. Das Schöne regiert. Jedenfalls offiziell. Das erinnert nicht zufällig an die von der US-Trump-Administration eingeführten Kategorie der „alternative facts“. Einfach etwas anderes behaupten und es so lange mit Macht wiederholen, bis es geglaubt wird. Dessen haben sich schon immer totalitäre Regierungen befleißigt. Aber auch demokratische Regierungen beschäftigen PR-Agenturen mit ähnlichen Zielsetzungen. Wohin ein solcher Kurs geführt hat, ist allzu offensichtlich. Gerade Europa hat in der Vergangenheit darunter gelitten und will möglichst daraus lernen. Ob die zuletzt dazu gestoßenen Staaten sich auch so verstehen und mit Europa insofern eine „Wertegemeinschaft“ bilden, mag dahingestellt bleiben. Jüngste Entwicklungen nähren Zweifel daran. Mittel zur Umsetzung einer solchen totalitären Strategie sind: Eine möglichst einlullende und unproblematisch mit Klischees operierende Musik, elektronisch unterfüttert, vereinfachende Phrasen, die die Wirklichkeit auf eine bestimmte Weise erklären sollen, Ruhigstellungsmechanismen aller Art, Geheimniskrämerei, Verschwörungstheorie und Herabwürdigung der sich oft über die Presse äußernden Öffentlichkeit („Lügenpresse“?), Verrohung der Umgangsformen ("Internetshitstorm"?) und das Verfolgen anderer, vom eigenen Kurs abweichenden Meinungen. Das Hochziehen von Zäunen, die das „Wir“ von „den Anderen“ trennen soll und damit nationale Identitäten schafft, die sich rücksichtlos gegen andere durchsetzen wollen. („America first“? Welche arrogante Anmaßung, das Wort „Amerika“ für sich zu beanspruchen, in Wirklichkeit sind es die USA und nicht Mittel- oder Südamerika, für das Trump spricht)

Sonntag, 5. März 2017

Das Knien

Was wohl der neoliberalen Weltsicht am krassesten widerspricht? Da gibt es vieles. Aber das religiös motivierte Knien gehört wohl dazu. Es scheint eine Geste zu sein, die bedeutet, dass es eine höhere Macht als das Ego gibt, verbunden mit dem Versuch, mit dieser Macht in Kontakt zu treten und sie anzuerkennen. Es ist wohl eine Art der spirituellen Annäherung, die sogar in eine Kontaktaufnahme münden kann. Spirituelles als Wert gibt es nicht im Kapitalismus, sondern nur den Wert des Geldes. Dies bedeutet nicht einmal das Säkulare an sich, sondern einen Ausschnitt daraus, der Menschen nach Einkommen und Vermögen qualifizieren will. Wer viel hat, ist viel wert. Wer wenig hat, ist wenig wert. Möglicherweise etwas zu einseitig haben sich westliche Gesellschaften auf solche Maßstäbe eingelassen, die freilich auch in dem Maße zu zerbröckeln schein, indem der Wert des Geldes sich zunehmend von dem Wert der Leistung entkoppelt. Wer viel leistet oder viel Verantwortung trägt, soll auch viel verdienen. Solche Glaubenssätze der Marktwirtschaft werden zwar immer noch kolportiert. Doch ihre Obsoleszenz ist allzu offensichtlich. Es gibt wohl genügend Schurken unter den Besitzenden, die sich frech am Allgemeinwohl bereichert haben. Dies ist mittlerweile auch durch die Massenmedien genügend kommuniziert. Zwei Wege als Ausweg: entweder man glaubt niemanden mehr, der neureich mit Geld um sich wirft und einen besonders aufwändigen Lebensstil pflegt. Oder man unterwirft sich radikal diesem System und hält mit allen Wassern gewaschene Milliardäre für die Rettung, weil diese mediengewandt den Trash-Sumpf für sich zu nutzen wissen. Mit dem Knien jedenfalls hat dies nichts mehr zu tun. Es scheint, als habe die Schicht der Tonangeber auf dieser Welt den damit verkörperten Wert vollkommen verloren.

Samstag, 4. März 2017

Prima Klima

Den Größeren, schnelleren, breiteren zu haben, das „Sich messen“, die Marktwirtschaft in den Köpfen, nicht der Fluss, das gemeinsame Fließen, die Empathie, sondern das Vorwärtskommen auf Kosten der anderen….. „Top Dogs“ rasen an einem vorbei, sie streben alle ehrgeizig ein Scheinziel an, das sie nach einer genau bemessenen Zeit wieder verlassen… zurück ins Getriebe. Sie treiben ihre Allrads an dir vorbei, mit denen sie überall zeigen, dass sie mehrmals im Jahr in den Skiurlaub fahren können und sich zu den Besseren zählen (noch dürfen sie das völlig ungeniert... manche von ihnen sind sehr stolz drauf, andere nehmen es als Selbstverständlichkeit), aufgemotzt, aber dezent, Überlegenheit dauernd zu zeigen ist (k)ein schweres Geschäft…. Für Competition-Mitläufer, für Bewerber, für tüchtige Tüchtige, für Durchsetzer, für die, die alles richtig gemacht haben und sich an anderen vorbei gekommen sind, mit der "besseren Leistung". Ob das eine gewisse Nähe zur „neuen“ (?) USA hat?  

Donnerstag, 2. März 2017

Traumtexte

Aus dem "Buch der Unruhe" des Fernando Pessoa: "Illusionslos leben wir nur vom Traum, der Illusion dessen, der keine Illusion haben kann. Aus uns selber lebend vermindern wir unseren Wert, denn der vollständige Mensch ist der Mensch, der sich nicht kennt. Ohne Glauben haben wir keine Hoffnung und ohne Hoffnung haben wir kein Leben im eigentlichen Sinne. Da wir keine Vorstellung von der Zukunft haben, haben wir auch keine Vorstellung vom Heute, denn das Heute ist für den Tatmenschen nur ein Vorspiel der Zukunft......"
Ein wenig weiter heißt es in demselben Text:
"Einige von uns stagnierten in der schalen Eroberung des Alltags, gemein und niedrig auf der Jagd nach dem täglichen Brot, und sie wollten es ohne Gefühle der Arbeit, ohne das Bewusstsein der Anstrengung, ohne den Adel des Gelingens erhalten".
Eine weitere Stelle folgt schon bald:
"Indem wir nichts ernst nehmen und auch nicht meinen, dass uns eine andere Wirklichkeit als gewiss gegeben sei als unsere Empfindungen, suchen wir bei ihnen Zuflucht und erforschen sie wie große unbekannte Länder."
 

Mittwoch, 1. März 2017

Das Andere

Es gibt offenbar viele Leute, deren Bemerkungen in den sozialen Medien sich nur um sich selbst und ihre Meinung über ihre Umwelt drehen. Die sich als spirituelle Führer gerieren und gelegentlich sogar hochbezahlte Seminare dazu abhalten. Andere Weltsichten, andere Meinungen werden nicht respektiert oder zurecht gewiesen. Dabei könnte das geradezu Erleuchtende in der Auseinandersetzung mit dem Anderen liegen. Dem zunächst Fernliegenden. Ich könnte im Hinblick auf Anregungen, auf andere Perspektiven mich unter Umständen sogar alleine schon daran bereichern, weil ich ja ein Teil des Ganzen bin, d.h. weil der Mensch ein soziales Wesen und eingebettet in einen sozialen Organismus ist. Manche hatten diesen Zusammenhang „Gesellschaft“ genannt. Aber der 68er-Doktrin der Selbstverwirklichung und der Wirtschaftsdoktrin des Neoliberalismus folgend interessieren sich diese Leute nur mehr für sich selbst und die Bestätigung ihrer Weltsicht. Es gilt, so viel Individuen wie möglich um sich zu versammeln, die der Selbstbestätigung und Selbstvergewisserung dienen. Nur das ist es, was an ihnen interessant scheint. Übrigens: das ist kein ausschließliches Phänomen der Werbung in der digitalen Welt. Auch in der „herkömmlichen“ analogen Welt versammeln solche Leute möglichst viele Leute um sich, die ihre Meinungen stützen, die derselben Meinung sind und die aus demselbem sozialen Milieu stammen. Im digitalen Zusammenhang nennt man so etwas „Filterblase“ oder „Echokammer“. Derzeit etwas in Mode. Neu ist das Phänomen aber nicht.