Da ist beispielsweise die
Entscheidung, wo jemand sich beerdigen lassen will, zu welcher
Gemeinschaft er sich dadurch bekennen oder nicht bekennen will: es
gibt also eine Wahl, der sich ein modernes Individuum überall
stellen muss. Nicht mehr die Tradition organisiert ein Leben. Dadurch
wird keine bestimmte und relativ genau definierte Rolle mehr
angeboten, sondern Individuen müssen ständig selbst entscheiden,
wer und was sie denn in welchem Zusammenhang sein wollen. Dazu sind
wir befreit, aber auch verdammt und verurteilt. Jeder muss sich
selbst zu einem „Projekt“ machen, wodurch auch das Risiko des
Scheiterns dramatisch steigt. Mutmaßlich hat man unendlich viele
Wahlmöglicheiten, wodurch sich das eigene Leben aber als fortwährend
begrenzt erweist. Dies zieht natürlich entsprechende Frustrationen
nach sich, was die sogenannte „Frustrationstoleranz“ immer
wichtiger werden lässt. Es geht bei diesem Begriff darum, gewisse
Fehlschläge in mannigfacher Hinsicht verkraften zu können, mit
Bedürfnisverweigerungen von Seiten der Umgebung zurecht zu kommen
und die Schere zwischen dem, was man hätte erreichen können, und
dem, was man erreicht hat, besser aushalten zu können.
Aber auch das Bedürfnis
nach Sinnfindung ist allgegenwärtig. Sinn wird dabei vor allem im
persönlichen Bereich gefunden, unter anderem in einem sehr
individuell angelegten Glauben an Werte und Normen, der als
individuell veränderbar und meinem Profil anpassbar erscheint.
Gleichzeitig wächst aber auch der Druck, etwas aus seinem Leben
machen zu müssen. Ein Leben in Sicherheit? In mir angemessenen
Formen? Ob meine Kraft dafür ausreicht? Wie kann ich angesichts
dessen bestehen? Was wird aus mir und wann werde ich es? Wie kann ich
mich möglichst optimal entwickeln? Menschen am Anfang ihrer
bürgerlichen Existenz und ihres nach einer Initiation wahrgenommen
Lebens müssen Antworten ganz alleine finden. Dabei wächst das
Bedürfnis nach einem Orientierungsrahmen, einer Vorgabe von außen,
die klare Richtungen weist. Selbstbestimmung erweist sich insofern
auch als dauernde Last, wird zu einer Aufgabe, der jemand ständig
nicht genügt. Orientierung und Reduzierung der Unübersichtlichkeit
des Lebens ist gefragt: Freunde und Familie sind hierzulande in diese
Rolle der Beratungsinstanz geschlüpft, die anderswo die Religion
ausfüllt.
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