Reise durch Wirklichkeiten

Montag, 27. März 2017

Rolle, Schauspielerei

Ich fing an, zu begreifen, dass wir alle eine Rolle spielen. Dass es Konflikte innerhalb dieser Rolle geben kann, aber auch zwischen den einzelne Rollen, die wir spielen. Vater, Mutter, Vereinsvorsitzende. Lehrer, Lenker und Lernende: das alles passt oft nicht zusammen und führt in uns zu Konflikten. Aber wir können eine gewisse Distanz zu der Rolle schaffen, in der wir uns befinden. Wir könnten erkennen, das wir als sozialen Wesen auch Ausgelieferte sein können. Ausgeliefert an Erwartungen, an „bewährte“ Verhaltensmuster, eingeübtes Wohlverhalten. Wir könnten dadurch so etwas ähnliches wie Rollendistanz entwickeln, also die Einsicht in diese sozialen Mechanismen und ihre Auswirkungen auf uns, auch wenn die Gesellschaft stets die vollkommene Identifikation damit zu fordern scheint. Wer also übt genau diese Distanz dauernd ein, indem er die Rollen wechselt, indem er durch verschiedene Augen blickt und in verschiedene Existenzen steigt? Jawohl, es könnte der Schauspieler sein, - so dachte ich mir damals. Es knüpfte sich bei mir nahezu unweigerlich die Begriffe Empathie, Mitleiden und Mitgefühl daran, die mein Denken bis heute bestimmen.
 Also schrieb ich ernst zu nehmende Schauspielerinnen an, nicht in der Absicht der Vergötterung oder eine Autogrammwunsches. Ich wollte nnur wissen, was es praktisch mit meiner Überlegung auf sich habe und wie sich das anfühle. Ich fand damals Robert De Niro und seine Vorbereitung seiner Rolle im Boxerfilm „Raging Bull“ fabelhaft. Er hatte sich nämlich lange und „in Wirklichkeit“ in die Rolle eines Boxers begeben, hatte typische Reaktionsweisen und Einstellungen gelernt, um sie in seine Rolle aufzunehmen. Es war, so dachte ich damals, genau das, was ich vermutet hatte und weshalb ich zumindest bestimmten Schauspielern eine gewisse Weisheit zugeschrieben hätte, eine Einsicht in die Zwanghaftigkeit bestimmter Rollen. Ich erwog sogar die Möglichkeit, dass sich durch den Beruf des Schauspielers sogar eine bestimmte Form der Weisheit würde ergeben können, die unter anderem auch dem alten William Shakespeare folgen würde, der ja einst formuliert hatte, dass das ganze Leben ein Theaterstück sei und wir nur die Rollen wahrnehmen würden. So gut ich konnte, formulierte ich diese Gedanken in meinen Briefen. Leider hat sich nie eine Antwort ergeben. Keine der Damen hat auch nur oberflächlich darauf geantwortet. Heute ziehe ich für solch ein Verhalten schon deutlich mehr die Form einer gewissen „Professionalität“ in Betracht, die sich für eine gewisse Zeit gewisse Merkmals anverwandeln kann, um sie später genau so schnell wieder abzulegen. Die Schauspielerei ist wohl abseits der sogenannten Lee-Strassberg-Schule solchem beruflichen "Können" verpflichtet.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen