Reise durch Wirklichkeiten

Donnerstag, 29. September 2016

Ein bisschen mithalten, ein bisschen Botox darf's schon sein fürs Egodesign

Man will ja nicht fortwährend als Nörgler, Kulturpessimist beschimpft werden, der zudem auch noch typisch deutsch sei. Aber als Analyst der Wirklichkeit kommt man nicht umhin, festzustellen, dass sich die Leute in den westlichen Industriegesellschaften immer mehr stylen, designen, dass sie auch durch ihr Äußeres einen bestimmten Eindruck hinterlassen wollen. Gerade durch ihr Äußeres. Botox ist gesellschaftsfähig geworden und Behandlungen damit sind minimal-invasiv, scheinbar harmlos und im Preis längst so gesunken, so dass sie sich nahezu jeder leisten können müsste. Gab es früher noch die vielen abschreckenden Beispiele von alternden Schauspielerinnen mit zu viel Geld („Maskenbotox“), so wird die Anwendung von einschlägigen Dermatologen heute viel raffinierter ausgeführt. Man will ja nicht so aussehen, als sei man mit Botox behandelt. Botox, was ist das eigentlich? Ein ziemlich hartes Nervengift, - so könnte man zur Auskunft geben. Ein Gift, das im Krieg als Biowaffe eingesetzt werden soll. Biogift. Tierversuche waren und sind anscheinend immer noch nötig (damit auch bisher unbekannte Hersteller auf den Markt drängen können...), damit die Schönen ihre Haut auch schön glatt haben. Der Clou bei Botox ist, dass es zwar nicht süchtig macht, aber immer wieder erneuert werden muss, weil der Körper es ja abbaut (was so falsch nicht ist...). Insofern ist es ein Gewinnbringer erster Güte und eine nie versiegende Geldquelle für einschlägige Ärzte. Alarmierend dabei ist, dass die Empathie mit zunehmendem Botoxgebrauch abzunehmen scheint, da lebendige Gesichtszüge auch emotionale Botschaften übermitteln. Botox könnte insofern dazu beitragen, dass das gesellschaftliche Klima kälter wird. Es gilt offenbar immer mehr, einen bestimmten Eindruck beim Gegenüber zu hinterlassen. Devise: Möglichst positiv und jung und dynamisch sein, gar nicht negativ, nörglerisch, melancholisch oder gar alt. Außerdem hat sich der soziale Druck zunehmend etabliert, sich mit Botox behandeln zu lassen. Wer etwas auf sich hält, macht das: „Etwas aus sich machen“. Der Druck auf diejenigen, die natürlich altern wollen, wird weiter wachsen. Jeder soll selbst verantwortlich sein für sein diesbezügliches Erscheinungsbild. Egostyling. Machen. Manipulieren. 

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