Reise durch Wirklichkeiten

Montag, 21. Mai 2018

Reisefeeling

Ob dazu die Musik von Brian Eno passt? Das Unbestimmte versucht, Gestalt anzunehmen. Oder ob alles „nur“ Projektion ist? Ob man sich hinweg tragen lassen könnte? Weiter, und immer weiter? Ich lese gerade im „Taugenichts“: Den meisten Leuten mag der Gestus von Joseph von Eichendorff seltsam vorkommen. Seltsam. Ob man auch von unserer Zeit loslassen kann und es als Zeugnis einer bestimmten Zeit und ihrer Sehnsüchte lesen kann? Ja klar, lesen ist sowieso out. Aber damals war das die gängige Ausdrucksweise, man war noch weit entfernt von Internet und App. Jedenfalls kann es auf deinen Einfluss ausüben, einen einlullen in eine Stimmung, die immer mehr aus einem selbst zu kommen scheint, je länger man sich ihr aussetzt.
In Joseph von Eichendorffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ ist die Hauptfigur unterwegs und sinniert im siebenten Kapitel kurz vor Rom über ihren gegenwärtigen Zustand nach. Das „Unterwegs-sein“ ist wohl auch dem „modernen“ Ich nicht ganz ungeläufig. Schon mal eine Parallele. Etwas Gemeinsames. Vielleicht können wir ja profitieren von diesem Feeling. Das Leben als eine Reise. Roadmovie. Fantasy: 
„Ich war Tag und Nacht eilig fortgegangen, denn es sauste mir lange in den Ohren, als kämen die vom Berge mit ihrem Rufen, mit Fackeln und langen Messern noch immer hinter mir drein. Unterwegs erfuhr ich, daß ich nur noch ein paar Meilen von Rom wäre. Da erschrak ich ordentlich vor Freude. Denn von dem prächtigen Rom hatte ich schon zu Hause als Kind viel wunderbare Geschichten gehört, und wenn ich dann an Sonntagnachmittagen vor der Mühle im Grase lag und alles ringsum so stille war, da dachte ich mir Rom wie die ziehenden Wolken über mir, mit wundersamen Bergen und Abgründen am blauen Meer und goldenen Toren und hohen glänzenden Türmen, von denen Engel in goldenen Gewändern sangen. - Die Nacht war schon wieder lange hereingebrochen, und der Mond schien prächtig, als ich endlich auf einem Hügel aus dem Walde heraustrat und auf einmal die Stadt in der Ferne vor mir sah. - Das Meer leuchtete von weitem, der Himmel blitzte und funkelte unübersehbar mit unzähligen Sternen, darunter lag die heilige Stadt, von der man nur einen langen Nebelstreif erkennen konnte wie ein eingeschlafener Löwe auf der stillen Erde, und Berge standen daneben wie dunkle Riesen, die ihn bewachten.
Ich kam nun zuerst auf eine große, einsame Heide, auf der es so grau und still war wie im Grabe. Nur hin und her stand ein altes, verfallenes Gemäuer oder ein trockener, wunderbar gewundener Strauch; manchmal schwirrten Nachtvögel durch die Luft, und mein eigener Schatten strich immerfort lang und dunkel in der Einsamkeit neben mir her. Sie sagen, daß hier eine uralte Stadt und die Frau Venus begraben liegt und die alten Heiden zuweilen noch aus ihren Gräbern heraufsteigen und bei stiller Nacht über die Heide gehen und die Wanderer verwirren. Aber ich ging immer gerade fort und ließ mich nichts anfechten. Denn die Stadt stieg immer deutlicher und prächtiger vor mir herauf, und die hohen Burgen und Tore und goldenen Kuppeln glänzten so herrlich im hellen Mondschein, als ständen wirklich die Engel in goldenen Gewändern auf den Zinnen und sängen durch die stille Nacht herüber.“

Mag auch dieses Blog kaum gelesen werden, so hoffe ich doch, dass der "Taugenichts" ab und zu gelesen wird. 

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