Reise durch Wirklichkeiten

Dienstag, 8. Mai 2018

Heimat (1)

Heimat, das ist eine Landschaft, - und mehr. Der Wunsch, dazu zu gehören, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Einen Ort zu haben, an dem man sich nicht erklären muss. Das Gefühl, willkommen zu sein. Einen Ort haben, an dem man sich sicher fühlt. Eine Erinnerung an die Kindheit, als die Welt einem vertraut erschien. Wurzeln haben. Heimat könnte Aufbruch und Rückkehr bedeuten. Immer mehr Leute fürchten sich davor, sie zu verlieren – und damit ihre Identität. Es herrschen Landflucht auf dem Dorf und steigende Mieten in den Städten. Eines aber scheint überall wichtig zu sein: Alle müssen flexibel sein und sich durchkämpfen in einer globalisierten und durchkapitalisierten Welt. Jetzt, wo die früher in SciFi-Literatur vorgedachte Zukunft Wirklichkeit wird, könnten wir gar keine Zukunft mehr haben. Es scheint eine Welt entstanden zu sein, die Entmaterialisierung bedeutet. Alles scheint ähnlicher zu werden, gleich zu werden, alles verschwimmt, Menschen sind in den neoliberalen Zusammenhängen „Humankapital“. Verwurzelung und Identität scheint angesichts dessen das am meisten verkannte Bedürfnis der menschlichen Seele zu sein. Aktuell scheinen sich Leute davor zu fürchten, durch Überfremdung ihre Heimat zu verlieren. Da bedeutet auch Clans und Ahnen, denen wir verbunden sind, ohne dass wir das wollen. Es gibt Menschen, die glauben, dass Heimatverbundenheit nicht unbedingt mit der Angst vor Fremden verknüpft sein muss. Heimat sei nicht unbedingt, so glauben Leute, nicht an den Ort gebunden, an dem man geboren wurde. Der Heimatbegriff, so halten manche Soziologen dagegen, zeige genau die Trennlinie zwischen der akademisch gebildeten, im Urbanen lebenden Mittelschicht und der traditionellen, oftmals noch der Industriemoderne verhafteten Mittelschicht.
Die Heimatfraktion sei in die Defensive geraten. Linksliberale Kosmopoliten predigten Heimatliebe ohne Ausgrenzung und würden damit Gefahr laufen, heuchlerisch zu sein. Denn diese klassisch Linksliberalen werfen anderen etwas vor, was sie selbst tun. Und zwar werfen sie anderen vor, dass sie Migranten und Flüchtlinge nicht integrieren würden. Sie selbst seien aber gar nicht erst in der Situation, dass sie mit Flüchtlingen und Migranten konfrontiert seien, weil sie in derart gefilterten und abgefederten Lebensumständen leben, dass Migranten für sie keine Problematik darstellten. 
Darin, was Heimat sein soll und wie sie geschützt werden soll, zeigt sich insofern auch die Spaltung der Gesellschaft. Sehr offensichtlich wurde dies übrigens in den Berichten über prominente Amtsträger der Sozialdemokraten, die ihre Sprösslinge auf teure Internate und Privatschulen schicken und keineswegs daran glauben, was sie dauernd predigen. Der empirische Beleg dafür könnte sein, dass sie ihre Sprösslinge auf teure Privatschulen schicken. Dass es nicht darum gehen soll, woher man kommt, könnte aber auch ein Mythos sein. Denn Heimat ist gerade nicht nur Option und freie Wahl. Man ist bedingt durch das, was schon war. Heimat ist gerade nicht das, was man durch freien Willen sich wählt. Man ist hinein gewachsen. Auch durch Sozialisation. Man versteht die Leute in dieser Heimat unwillkürlich besser, agiert und bewegt sich wie selbstverständlich, wie im Schlaf. Es gibt den Ort der Geburt als Schicksal. Man ist hinein geboren worden, hat ihn sich nicht heraus gesucht. Wir sind nicht nur autonome Menschen. Wir sind auch durch unsere Herkunft und unsere Geschichte, durch Zufälle, Glück und Unglück geprägt.


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