Reise durch Wirklichkeiten

Dienstag, 26. September 2017

Literaturbetrieb, Kulturbetrieb

Ich machte mir Notizen zu Sendungen mit Literaturkritiker(Innen) im Fernsehen und gewann dadurch weitere Einblicke in das Kritikerwesen: Mir fiel auf, dass es sich dabei meist um intellektuelle, sich um eine gewisse Attraktivität bemühende und/oder sehr seriös mediengewandt wirkende Personen handelte, die sich mit großer Selbstverständlichkeit kapriziös ausdrückten und auf ihrem Gebiet sehr informiert, gebildet und aufgeklärt zu sein schienen. Sie schienen von einem Milieu getragen, das den eigenen Erfolg spiegelte (also Chefs und Willi Wichtigs, mit regelmäßigen Sendungen, egal wo, Autoren mit großen Namen, die Preise gewonnen haben, die man kennen musste, zumindest unter den Bescheidwissern, den Insidern), Personen, die mit dezenten Erwartungen an die Gesellschaft hantierten, verdeckt mit den eigenen, offen mit denen der von ihnen besprochenen Romanfiguren, mit Erwartungen an das Leben im allgemeinen, sie hantierten mit spitzen Händen und Mündern („ ….das hat man schon besser gelesen...“), sich ihrer multiplizierenden Wirkung wohl bewusst. Man fragt sich, wie diese Leute das machen, all das Zeugs zu lesen und sich danach abfällig darüber zu äußern, man selbst hätte gar nicht die Zeit dazu. Ob sie delegieren und "outsourcen"? Es schien sich um Leute zu handeln, die scheinbar alles wissen, mit Urteilen, die anderen Orientierung bieten können und die geschmäcklerisch bis ins Letzte sind, - wobei subjektive „Ausrutscher“ jederzeit gestattet zu sein scheinen und als Ausdruck von Eitelkeiten mit viel Understatement und Verständnis gehandelt werden. Die Auseinandersetzung scheint ohnehin eher formalen und unverbindlichen Charakter zu haben, auch wenn die Stirn gerunzelt wird und nachhaltig behauptet wird - in Wirklichkeit ist wohl alles erlaubt (wer wäre man denn, Grenzen zu setzen oder einzufordern!). Sie teilt die Welt in Auskenner und blutige Idioten ein, die keine Ahnung haben. Insofern entspricht sie dem Bedürfnis des Publikums nach Orientierung. Wir müssen inzwischen nur noch die richtigen Vermittler und "Experten" kennen, um uns "auszukennen", um mitreden zu können, um dabei zu sein.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen