Reise durch Wirklichkeiten

Montag, 11. Januar 2016

Hesse und die Welt seiner Kindheit

Der Dichter Hermann Hesse kommt scheinbar aus einer anderen Welt, in der die Kommunikation zwischen den Menschen noch anders funktionierte als heute. Und doch kann man über ihn und seine Stellung zur Welt staunen. Er wuchs in der schwäbischen Kleinstadt Calw auf, der Marktplatz und die steilen Gassen waren die Welt seiner Kindheit. Er kannte in dieser Welt alle und jeden, blieb aber doch auf Distanz. Seine Eltern standen im Dienste der evangelischen Basler Mission. Der Vater kam aus Estland und hatte als Missionar in Indien gearbeitet. Die Welt der Mission war in Hesses Kindheit allgegenwärtig. Seine Mutter war in Südwestindien aufgewachsen, Bilder und Lieder aus Indien waren ihm von klein auf vertraut. So hat der junge Hesse von Anfang an zwei Welten kennen gelernt und in ihnen gelebt. Es gab die schwäbische Kleinstadt mit ihrer überlieferten Ordnung und Ihren Traditionen. Und es gab die ferne indische Kultur mit ihren eigenen Lebensformen, Sprachen und Rhythmen.
Wie ein geheimnisvolles Reich kam ihm dabei die Bibliothek des Großvaters Hermann Gundert vor, in der es nach Pfeifenrauch und alten Büchern roch. Als Schriftsteller, Übersetzer un Herausgeber von Missionsliteratur leitete Gundert den Calwer Verlagsverein. Er war einer der Pioniere der evangelischen Mission in Indien gewesen, ein schwäbischer Theologe, der auch ein bedeutender Indologe und Sprachgelehrter war. Er konnte seine Predigten in so manchem indischen Dialekt abhalten und übertrug indische Versepen ins Deutsche. Seine Wertschätzung anderer Kulturen faszinierte den jungen Enkel Hermann Hesse. Begeistert berichtet er, dass in anderen Schränken des Großvaters stand und lag noch viel anderes Wesen und Geräte. Ketten aus Holzperlen wie Rosenkränze, Palmblätterne Rollen, mit eingeritzter alter indischer Schrift beschrieben. Kleine Götterbilder, aus Holz, aus Glas, aus Quarz aus Ton, messingne Becher und Schalen. Und alles kam aus Indien und Ceylon, aus Siam und aus Birma. ...An anderer Stelle schreibt er über den Großvater, dass dieser auch „ein Magier, ein Weiser und Wissender war - Er konnte Pali und Sanskrit schreiben und sprechen. Er konnte unter anderem bengalische, indostanische und sinegalesische Lieder singen. Er kannte die Gebetsübungen der Mohammedaner und der Buddhisten, obwohl er Christ war und an den dreieinigen Gott glaubte“. Am schönsten wohl hat er den daraus entstandenen Gesichtskreis so beschrieben: „Niemand wusste so wie er Bescheid darum, dass unsere Stadt und unser Land nur ein sehr kleiner Teil der Erde war“. 

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