Reise durch Wirklichkeiten

Sonntag, 18. Dezember 2022

Das Blau meiner Kindheit

Das Blau begegnete einem in den Kornblumen, die die Feldwege in diesem kargen Kuhdorf säumten, in das dich das Schicksal verschlagen hatte. Für Augenblicke traf es einen, dieses Blau, und stellte einem ein Rätsel, das man freilich noch nicht als solches erkannte. In diesem Blau waren die Geheimnisse des Lebens aufgehoben. Wie kann man bloß von einer Farbe so fasziniert sein, dass es einen das ganze Leben über beschäftigt? Das Blau war schon immer die Farbe der Transzendenz, heißt es. Es zeigt in die Unendlichkeit, es weist in die Geistigkeit. Ideal für die Romantiker. So steht die Blaue Blume in Novalis’ „Heinrich von Ofterdingen“ für eine Welt, in der Mensch, Tier und Pflanze eine gemeinsame Sprache sprechen. Sie ist ein Bild allen Erlebens in der Natur. Sie ermöglicht die Flucht aus der Gegenwart, der Realität der industriell bearbeiteten Welt, hinein in das Märchenhafte, Geheimnisvolle. Das Blau ist die Farbe des Himmels und des Meeres, der Tiefe und der Seele. Was sagt uns das? „Was ist die Seele?“. Die Augen sind das Fenster zur Seele. Meine eigenen blauen Augen. Wohin blicken sie, wenn ich in den Spiegel blicke?

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