Ein Durchgang durch Realitäten aus meiner Sicht - Blog von Ulrich Bauer (Ergänzt ubpage.de)
Dienstag, 13. Juli 2021
Demokratie und Markt reloaded
An das Folgende erinnere ich mich aus Vorlesungen und mische es mit aktuell Gelesenem, mit Notizen oder am Bildschirm Verfolgtem:
Als Maxime gilt die Stabilität sozialer Systeme: was sich akademisch anhören mag, hat alltägliche Folgen: Der Bürger solle sich ruhig verhalten, so die Parole. Er dürfe ja alle vier Jahre seine Stimme abgeben und solle ansonsten die Sache der Gemeinschaft „den Profis überlassen“, wie es z.b. Christian Lindner ausdrückte. Wie verhält sich wohl eine solche Einstellung mit der Vorstellung des „mündigen Bürgers“? Die Demokratie beruht ja auf der Voraussetzung, die sie selbst herstellt: den mündigen Bürger. Dem stehen hohe Bestechungsmechanismen (Lobbyismus?), Stbilitätsbestrebungen ("alles so, wie es ist....) und zahlreiche kurzfristige hedonistische Vergnügungen gegenüber ("Zeitvertreibungsmaschinen"). „Es ist bequem, unmündig zu sein“ meinte ein großer deutscher Philosoph dazu. Ob es um die Voraussetzungen einer Mündigkeit geht, ob es um die Kontrolle von Herrschaft und die Unterwerfung der Staatsapparate unter den Willen der BürgerInnen geht? Oder ob das in unserer heutigen Realität weitgehend ausgeblendet erscheint?.
Einzele würden die Komplexität der gestellten Aufgaben keinesfalls überblicken, so das heute oft vorgetragene Credo. Die Idee des "mündigen Bürgers" habe sich in vielerlei Hinsicht überlebt. BürgerInnen hätten weder das Wissen noch die Interessen zur Mitbestimmung. Sie seien gekennzeichnet durch Ignoranz, Apathie und Vorurteile. Sie hätten einen eklatanten Mangel an Denk- und Handlungsfähigkeit. Die breite Öffentlichkeit bestehe aus unwissenden und lästigen Außenstehenden, deren Rolle in einer Demokratie die der Zuschauer sein müsse, keineswegs aber die der Mitwirkenden. Der Bürger solle Aufgaben der Mitwirkung und der Selbstbestimmung lieber jenen überlassen, die aus der Verwaltung kommend sich berufsmäßig damit befassen.
Ob das Konzept einer „illiberalen Demokratie“, wie es etwa der ungarische Häuptling Orban vertritt, damit etwas zu tun hat und ob es weitgehend solchen Einstellungen entspricht? Ob es darum geht, Eliten aus einem vorgegebenen Elitenspektrum auszuwählen und sich als „Normalo“ darüber hinaus auf die kleine überschaubare Privatwelt zu beschränken? „Think Tanks“ sollten in einem solchen Demokratiemodell wohl eine wichtige Rolle spielen: Experten. Sie sollen vor allem den Standpunkt der Wissenschaft (gibt es den als einen einzigen?) in den Entscheidungsprozess hinein tragen. Beispielhaft kann dies derzeit an der Rolle von Virologen und Epidemologen gezeigt werden. Sie füllen die Rolle der „Berater“ aus, die die gewählten Entscheider (Politiker) zu ihrer Entscheidung befähigen.
Der Bürger solle seine Stimme lediglich im Vierjahresturnus jenen verleihen, die „Verantwortung“ ausüben, die durch ihren Werdegang und ihre Ausbildung ihr Wissen um gewisse Zusammenhänge vertiefen konnten und meist aus der akademischen Sphäre stammen. In der Zusammenschau könnte so etwas bedeuten: Demokratie kann nur funktionieren, wenn sie keine ist. Was aber, wenn es darum geht, Machtausübung effizient zu organisieren und sie gleichzeitig wirksam zu kontrollieren? Wer soll das leisten? Ob es, wie im Neoliberalismus oft behauptet, um die effizienteste Lösung geht, die stets ein Markt herbei führt („marktkonforme Demokratie“)?
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