Reise durch Wirklichkeiten

Donnerstag, 15. Oktober 2020

Nostalgie (2)

Du würdest gerne einmal die Zeit anhalten, festhalten. In dich hinein holen. Deshalb bist du deshalb so oft zurück an die Orte deiner Kindheit gefahren. Genau diese Kindheit in mich herein holen, darum ging es mir. Eine ganze Persönlichkeit werden. Eine komplettere. Durch mich selbst. Ich habe stets das Disparate zusammenzudenken versucht, das, was nicht passt, die Gegensätze zusammen zu zwingen, sie zueinander zu biegen, - wie in meiner Musik und meiner Denke. Die unerwarteten Brüche anstreben. Das Uneinheitliche. Neue kreative Räume dadurch erschließen, sollten für mich dadurch aufgehen. Meine jüngste Musik aber ist auch eine Erinnerung an meine Vergangenheit, mit heutigen Mitteln realisiert. Sie hat sich dazu (rück-) entwickelt. Ich merke, wie ich schon länger dabei bin. Im Leben und in der Musik. Ich suche dazu die spontanen Ergüsse. Den Versuch, in sich zu finden, spontan auszugraben und dadurch Authentisches zu finden, - noch nicht aufgegeben. Damals, in den Achtzigern, war das ein scheinbar vorgegebenes Ziel. Es war weithin akzeptiert, wenn auch unterschwellig.
Heute mache ich das aus einem weiteren Gesichtskreis heraus. Natürlich sind andere besser darin. Klaro. Das habe ich aber vergessen. Andere sind immer besser. Das habe ich gelernt. Meine eigenen Wurzeln anzuzapfen, ist mein Ding, dem ich nachgehen will. Es kommen zu lassen, statt es bewusst herbei zu führen. Einen Ausgleich dadurch zu schaffen. Ich will versuchen, möglichst das aus mir heraus holen, was in mich hinein gegangen ist. Darüber zu staunen, dass ich das auch bin. Und dann zu spielen mit Stilmitteln, mit Verweisen, mit Anspielungen, indirekt, unaufdringlich, nicht notwendig dem Dekonstruktivismus zugewandt. Kein intellektuelles Konzept verwendend. Eher meine Biografie umsetzend. Mir selbst folgend. Mir im weiteren Sinne. Meine Brüche. Mein Zerfallen im Nichts auch. Die sanften und unsanften Nabel der Digitalisierung aufnehmend. Die kollektiven Verweise. Meine Undeutlichkeiten und mein Versuch, deutlicher, klarer, übersichtlicher, allgemeinverständlicher zu werden. Meinen Spekulationen spielend Formen geben. Auch im scheinbar Konventionellen und allzu Einfältigen. Strukturen einsetzen, aber sie nie allzu ernst nehmen. Die „grauen Anzüge“ von einst haben heute einen anderen Inhalt. Sie sind reine, unkennbare und anonyme Funktionsträger, Alpha-Tiere auch weiblichen Geschlechts, die ihr öffentlich dargebotenes Ich auftreten lassen, die es als Vorbild und Leitbild präsentieren. Künstler passen sich ihnen gerne an, ja, sie lassen sich oft allzu willfährig zur Werbung und in der Trash-Showwelt missbrauchen. Ich nicht. Ich alter Negativist......

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