Reise durch Wirklichkeiten

Samstag, 6. Oktober 2018

Schwermut (Baudelaire)


Schwermut (Charles Baudelaire)

Der Himmel, schwer wie eines Deckels Last,
Sinkt auf die Seele voll verhaltenem Weinen,
Bleiern und dumpf hält er das All umfasst,
Trüber als Nacht will uns der Tag erscheinen

Es wandelt sich die Welt zum finstern Haus,
Zum feuchten Kerker voller Angst und Schauer,
Und flatternd, scheu wie eine Fledermaus
Rennt Hoffnung sinnlos gegen Wand und
Mauer.

Der Müde Regen, der die Welt umfängt,
Spannt um das Haus die engen Gitterstäbe
Verwünschtes Ungeziefer kommt und hängt
In unser Hirn die grauen Spinngewebe.

Und plötzlich heulen Glocken dumpf empor,
Zum Himmel heben sie ihr furchtbar Tönen
Wie irrer, heimatloser Geister Chor,
Ein eigensinnig, heimatloser Geister Chor,
Ein eigensinnig unaufhörlich Stöhnen.

Und lautlos zieht ein langer Leichenzug
durch meine Seele seine schwarzen Bahnen,
Die Hoffnung weint. Das Grauen, das sie schlug
Das Grauen pflanzt in meinem Hirn die Fahnen.

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