Reise durch Wirklichkeiten

Dienstag, 2. Oktober 2018

Opfer


Ich habe nachts eine Fernsehsendung gesehen, über Lazarett- oder Sanitätszüge im Ersten Weltkrieg und davor. Die Leute wurden teilweise in die Wagons geworfen, so dass sie danach kaum noch kratteln konnten. Zu Werbezwecken wurden wunderbar ausgestattete Züge gezeigt, in reinem Weiß und ausgestattet mit allem, was das Leben angenehm machen konnte. In Wahrheit waren die Züge überbelegt, dreckig und stanken. Ihre Priorität gegenüber den militärischen Belangen war sehr nachgeordnet. Manchmal brauchten sie vier Tage, wo militärische Züge, die etwa Nachschub transportierten, gerade mal einen brauchten. Die Leute kamen auch mit schweren Traumata nachhause. Wer wieder hergestellt wurde, musste unter Umständen ein zweites Mal an die Front. Aus heutiger Sicht scheint uns das unvorstellbar. 
Die Leute brachten sich damals selbst als Opfer. Für was? Fürs Vaterland. Geradezu religiös war das damals begründet. Heute gibt es vielleicht „Restposten“ des Opfers. Sie alle sollten aber möglichst nicht unser eigenes Leben betreffen. In der Bundeswehr heute wird Sicherheit „hergestellt“. Sie ist also ein ökonomisches Gut geworden. Ganz und gar. Die Vorstellung, dass jemand sein Leben geben solle, für welche Idee auch immer, ist eine, die uns zutiefst fremd ist und die nicht wirklich im Ernst als Zumutung an einen Einzelnen gedacht werden kann. Unter diesen Umständen erheben sich natürlich Gedanken darüber, wie eine solche Gesellschaft nicht zum hilflosen und wehrlosen Objekt werden kann. Außerdem könnte sie eine Strategie dazu entwickeln, wie dem Zerfall der überkommenen Ordnungen entgegen getreten werden könnte. Stabilisieren scheint an dieser Stelle das große Stichwort zu sein. Kaufen. Abkaufen. Den Willen zur militärischen Auseinandersetzung.

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