Ein Durchgang durch Realitäten aus meiner Sicht - Blog von Ulrich Bauer (Ergänzt ubpage.de)
Freitag, 3. November 2017
Schopi über den Tod (8)
Wenn was uns den Tod so schrecklich erscheinen läßt
der Gedanke des Nichtseyns wäre; so müßten wir mit gleichem
Schauder der Zeit gedenken, da wir noch nicht waren. Denn es ist
unumstößlich gewiss, daß das Nichtsein nach dem Tode nicht
verschieden seyn kann von dem vor der Geburt, folglich auch nicht
beklagenswerther. Eine ganze Unendlichkeit ist abgelaufen, als wir
noch nicht waren; das aber betrübt uns keineswegs. Hingegen, daß
nach dem momentanen Intermezzo eines ephemeren Daseyns eine zweite
Unendlichkeit folgen sollte, in der wir nicht mehr seyn werden,
finden wir hart, ja unerträglich. Sollte nun dieser Durst nach
Daseyn etwa dadurch entstanden seyn, daß wir es jetzt gekostet und
so gar allerliebst gefunden hätten? Wie schon oben kurz erörtert:
gewiß nicht, viel eher hätte die gemachte Erfahrung eine unendliche
Sehnsucht nach dem verlorenen Paradiese des Nichtseyns erwecken
können. Auch wird der Hoffnung der Seelen-Unsterblichkeit allemal
die einer besseren Welt angehängt, - ein Zeichen, daß die
gegenwärtige nicht viel taugt. - Dieses allen ungeachtet ist die
Frage nach unserem Zustande nach dem Tode gewiß zehntausendmal
öfter, in Büchern und mündlich, erörtert worden, als die nach dem
Zustande vor der Geburt. Theoretisch ist dennoch die eine ein eben so
nahe liegendes und berechtigtes Problem, wie die andere; auch würde
wer die eine beantwortet hätte mit der andern wohl gleichfalls im
Klaren seyn. (in „Die Welt als Wille und Vorstellung“, Artur
Schopenhauer)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen