Ist es seltsam oder
krude, wenn man einen kleinen schwarzen Hund seinen Freund nennt? Da
war von Anfang an eine sehr grundlegende Sympathie und mir kommen
immer noch die Tränen, wenn ich daran denke, wie sehr er zum
Außenseiter gemacht wurde. In der Hundeschule, wenn er versuchte,
mit anderen Hunden herum zu tollen und doch immer außen vor blieb.
Wieso denn das? Seine grundsätzliche Freundlichkeit aber blieb, als
wir ihm solche Negativerlebnisse nicht mehr zumuteten. Wie offen und
zutraulich begegnete er in dieser Phase größeren Artgenossen, die
ihn prompt vermöbelten und hart verprügelten! Wir konnten uns das
alles nicht erklären. Es gibt Hundeflüsterer und Experten, klar.
Verhaltensforscher. Rangordnung. Status. Klar. Aber ein solch krasses
Verhalten?
Es blieb bis zuletzt
unklar, ob er aus diesen Auseinandersetzungen resultierend seinen
beschädigten Rücken hat oder ob diese Prügel ein angeborenes
Leiden nur verstärkt haben. Ohne dass uns das bewusst war, schien er
diese Erlebnisse in sich aufgenommen und verarbeitet zu haben und –
so gut es ihm halt möglich war – als „erwachsener“ Hund zu den
Grundbefindlichkeiten seines Lebens gemacht zu haben. Er blieb zum
Menschen stets auf Distanz, hatte eine eigene Art, seine Zuwendung
auszudrücken. Sehr nachdrücklich und eindeutig war er darin nicht.
Aber auch darin schien er stets in Entwicklung zu sein.
Was ich von ihm dann
ganz direkt gelernt habe, war unter anderem so etwas wie
„Ein-Sich-Schicken-in gewisse-Gegebenheiten“.
War er anfangs so etwas wie ein
mysteriöses Wesen, so wurde er mit zunehmender Zeit immer mehr zum
Hund. Er schien diese Gegebenheiten seiner Gattung – so gut es ihm
möglich war – immer mehr in sich aufzunehmen, ohne sich und seine
Eigenheiten (Darunter auch ein geradezu störrischer „Eigensinn“)
zu verlieren. Es war etwas Tierisches und zugleich von der Qualität,
von der Menschen lernen könnten. Er wahrte seinen Stolz und nahm die
Aufgabe, der Boss eines kleinen Rudels zu sein, an. Wie hätte es
auch anders sein können? Es war ihm aufgetragen, er versuchte, auf
natürliche Weise das Beste daraus zu machen. Er konnte das auch dank
seiner überragenden mentalen Fähigkeiten: dieser schwarze Mann war
klug verständig und „ein Indianer“ (wie wir das in unserer
Jugend genannt hatten), er schien nahezu jeden Schmerz aushalten zu
können. Dass er in seiner Jugend ein geradezu jämmerlicher Hänfling
gewesen war, dessen Weg deswegen immer wieder zum Tierarzt führen musste, mag
auch dazu beigetragen haben. Eine Art von weicher Duldung all dieser
Umstände war sein Ding, kleinere Nickligkeiten gegenüber
Rudelmitgliedern inbegriffen. Alles in allem wurde er aber zu einem
sehr demokratischen „Boss“, was unter anderem ein ziemlich gutes
Funktionieren des Rudels mit sich brachte, - überraschenderweise. Ich aber blickte immer
wieder fasziniert in diese Augen, die so waren, wie sie waren, und
für mich keine Durchlässigkeit zu gewähren schienen. Und doch gab
es da Momente, wo wir uns als Wesen und Geschöpfe dieser Welt
ziemlich nahe waren, so schien es mir. Da war in ihm viel
Einverstandensein mit dem, was Menschen gerne „Schicksal“ nennen.
Ein kleiner Hund, nichts weiter. Klar. Sentimentalität. Projektion.
Tierliebe als Substitut. Ich habe ihn aber anders erlebt. Jetzt ist er nicht mehr.
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