Reise durch Wirklichkeiten

Freitag, 6. Februar 2015

Schwarzer Hundemann

Ist es seltsam oder krude, wenn man einen kleinen schwarzen Hund seinen Freund nennt? Da war von Anfang an eine sehr grundlegende Sympathie und mir kommen immer noch die Tränen, wenn ich daran denke, wie sehr er zum Außenseiter gemacht wurde. In der Hundeschule, wenn er versuchte, mit anderen Hunden herum zu tollen und doch immer außen vor blieb. Wieso denn das? Seine grundsätzliche Freundlichkeit aber blieb, als wir ihm solche Negativerlebnisse nicht mehr zumuteten. Wie offen und zutraulich begegnete er in dieser Phase größeren Artgenossen, die ihn prompt vermöbelten und hart verprügelten! Wir konnten uns das alles nicht erklären. Es gibt Hundeflüsterer und Experten, klar. Verhaltensforscher. Rangordnung. Status. Klar. Aber ein solch krasses Verhalten?
Es blieb bis zuletzt unklar, ob er aus diesen Auseinandersetzungen resultierend seinen beschädigten Rücken hat oder ob diese Prügel ein angeborenes Leiden nur verstärkt haben. Ohne dass uns das bewusst war, schien er diese Erlebnisse in sich aufgenommen und verarbeitet zu haben und – so gut es ihm halt möglich war – als „erwachsener“ Hund zu den Grundbefindlichkeiten seines Lebens gemacht zu haben. Er blieb zum Menschen stets auf Distanz, hatte eine eigene Art, seine Zuwendung auszudrücken. Sehr nachdrücklich und eindeutig war er darin nicht. Aber auch darin schien er stets in Entwicklung zu sein.
Was ich von ihm dann ganz direkt gelernt habe, war unter anderem so etwas wie „Ein-Sich-Schicken-in gewisse-Gegebenheiten“.
War er anfangs so etwas wie ein mysteriöses Wesen, so wurde er mit zunehmender Zeit immer mehr zum Hund. Er schien diese Gegebenheiten seiner Gattung – so gut es ihm möglich war – immer mehr in sich aufzunehmen, ohne sich und seine Eigenheiten (Darunter auch ein geradezu störrischer „Eigensinn“) zu verlieren. Es war etwas Tierisches und zugleich von der Qualität, von der Menschen lernen könnten. Er wahrte seinen Stolz und nahm die Aufgabe, der Boss eines kleinen Rudels zu sein, an. Wie hätte es auch anders sein können? Es war ihm aufgetragen, er versuchte, auf natürliche Weise das Beste daraus zu machen. Er konnte das auch dank seiner überragenden mentalen Fähigkeiten: dieser schwarze Mann war klug verständig und „ein Indianer“ (wie wir das in unserer Jugend genannt hatten), er schien nahezu jeden Schmerz aushalten zu können. Dass er in seiner Jugend ein geradezu jämmerlicher Hänfling gewesen war, dessen Weg deswegen immer wieder zum Tierarzt führen musste, mag auch dazu beigetragen haben. Eine Art von weicher Duldung all dieser Umstände war sein Ding, kleinere Nickligkeiten gegenüber Rudelmitgliedern inbegriffen. Alles in allem wurde er aber zu einem sehr demokratischen „Boss“, was unter anderem ein ziemlich gutes Funktionieren des Rudels mit sich brachte, - überraschenderweise. Ich aber blickte immer wieder fasziniert in diese Augen, die so waren, wie sie waren, und für mich keine Durchlässigkeit zu gewähren schienen. Und doch gab es da Momente, wo wir uns als Wesen und Geschöpfe dieser Welt ziemlich nahe waren, so schien es mir. Da war in ihm viel Einverstandensein mit dem, was Menschen gerne „Schicksal“ nennen. Ein kleiner Hund, nichts weiter. Klar. Sentimentalität. Projektion. Tierliebe als Substitut. Ich habe ihn aber anders erlebt. Jetzt ist er nicht mehr.

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