Blau und Rot und Kindheit
Du würdest eines Tages alt genug sein, um einzutreten in
diese Sphäre dieses Spiels, das war noch völlig klar für dich in
diesem Moment. Du warst schon gespannt darauf. Die Spiele der
Erwachsenen. Es gab noch diesen Geruch von Lippenstift. Das
unglaubliche Rot roch auch noch. Es hatte seinen eigenen Geruch,
genau wie diese Bademilch, die lauter weibliche Körper zu
umschmeicheln schien. Diese verbrauchten Lippenstifte, diese
Stummelreste dort, sie rochen tatsächlich. Ein
knalliges Rot, das einen Duft verströmte.
Das Blau freilich begegnete einem in den Kornblumen, die die
Feldwege in diesem kargen Kuhdorf säumten, in das dich das Schicksal
verschlagen hatte Für Augenblicke traf es einen, dieses Blau,
und stellte einem ein Rätsel, das man freilich noch nicht als
solches erkannte. In diesem Blau waren die Geheimnisse des Lebens
aufgehoben. Wie kann man bloß von einer Farbe so fasziniert sein,
dass es einen das ganze Leben über beschäftigt?
Das Blau war schon immer die Farbe der Transzendenz, heißt es.
Es zeigt in die Unendlichkeit, es weist in die Geistigkeit. Ideal für
die Romantiker. So steht die Blaue Blume in Novalis’
„Heinrich von Ofterdingen“ für eine Welt, in der Mensch,
Tier und Pflanze eine gemeinsame Sprache sprechen. Sie ist ein Bild
allen Erlebens in der Natur. Sie ermöglicht die Flucht aus der
Gegenwart, der Realität der industriell bearbeiteten Welt,
hinein in das Märchenhafte, Geheimnisvolle. Das Blau ist die Farbe
des Himmels und des Meeres, der Tiefe und der Seele. Was sagt
uns das?
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