Reise durch Wirklichkeiten

Mittwoch, 11. Februar 2015

Junge Augen

Ich konnte nutzlose Kanalssysteme entwerfen, gewiss, ich konnte sie in Gedanken überhöhen und sie einbauen in ein Wunderland, das für eine halbe Stunde existierte. Aber ich war beileibe kein Bastler, kein frühreifer Konstrukteur. Gleichwohl versuchte ich mich fortwährend an Zeichnungen, die futuristische VWs, Fords und Mercedesse darstellen sollten. Ich nahm Lineale zu Hilfe, ich stellte mir die tollsten Karosserien vor. Von meinen gemalten Autos ging jedoch keinerlei Eleganz aus. Das merkte ich, wenn ich mit den Eltern zu deren Freundin eingeladen war, deren Sohn ganz offenbar ein früh gefördertes technisches Talent hatte. Wir verglichen dann unsere Entwürfe. Meine Zeichnungen hatten im Vergleich zu seinen etwas Unbeholfenes, Lahmes, etwas Unfertiges und falls sie im Wunderland jemals realisiert worden wären, hätten sie mit all ihrer komisch-schlampigen Assymmetrie nie eine Aussicht darauf gehabt, ein vernünftiges Auto darzustellen. Nein, ich war ganz offensichtlich kein toller Handwerker. Ich war dazu wohl nicht begabt. Das sieht man ja kleinen Kindern schon an, für was sie begabt sind (?). Irgendwie tritt ihr Talent zu Tage. Die Eltern müssen es dann nur richtig deuten und entsprechend fördern. Dann wird ein "tüchtiger" Ingenieur daraus, ein Arzt, ein Künstler oder ein Geistesaristokrat. 
Mein Scherenschnitt freilich war plötzlich mittendrin entzwei.Von der Schraube, die ich eines Tages an einem Gerät anbringen wollte, fehlte immer etwas oder ich hatte den Schraubenschlüssel aus völlig unerklärlichen Gründen verloren. Ich konnte keine Wagendeichsel einrasten lassen. Nicht mal das.Wenn ja, wurde das als Heldentat gefeiert. Man traute mir das einfach nicht zu. Aber ich hatte ja Zeit. Das alles war kein wirkliches Problem. Die Lösung dieser Fragen sollte irgendwann noch zu finden sein. Der Horizont war offen. Stundenlang  und sprachlos, nur für mich, drückte ich draußen auf dem Hof komplette Kanalsysteme in den Boden, schuf im Dreck ein System der verspielten Umleitungen. Es gab sehr sinnvoll angelegte Rückhalte- und Überlaufbecken. Man konnte zusehen, wie sich der Dreck, den man kurz zuvor bearbeitet hatte,  langsam setzte, um sich schließlich in ein Becken mit klarem Wasser zu verwandeln. Es gab auch Inseln inmitten dieser klarer Seen, die man gerne zu Trutzburgen hätte ausbauen wollen. Sie verwandelten sich flugs in verwunschene, dreckfarbene Wasserschlösser und trugen ihren Sinn minutenlang in sich.
Doch es konnte sein, dass es plötzlich wieder regnete, was meiner Kanallandkarte  ihre Konturen nahm und sie nach und nach unter dem Einfluss der Natur bröckeln ließ. Doch irgendwann, ganz plötzlich, zerstörte diese kleine Welt ohnehin ein Traktor oder ein Auto, das nun unbedingt über diese Stelle fahren musste. Das war das Leben. Das war der Ernst. Das waren die Erwachsenen. Das war die Wirklichkeit. Das war es, was zu lernen war. Dieses Blau dort hinten im Märchengarten, es schien mir auf eine Sphäre zu zeigen. Es war auch eine Sphäre, in der die Frauen grelle Lippenstifte gebrauchten, Um für sich zu werben, um sich schön zu machen. Für wen? Du wärest gerne einer gewesen, um den diese Frauen geworben hätten. Hey, kleiner Mann, wohin des Wegs? Aber du spieltest dieses Spiel damals nicht mit. Nein, du spürtest es nur. Damals.  

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