Man blickt durch seine
eigenen kleinen Augen und man erinnert sich an andere Perspektiven.
Man sieht durch die Augen anderer und man versucht, eine Realität zu
erfassen. So gut es einem möglich ist. Dazu gehört womöglich
gerade nicht die Verliebtheit in die eigene Perspektive, was ja einem
Narzissmus (wie er ja in Zeiten des Neoliberalismus so groß in Mode
ist: jeder ist seines Glückes Schmied, das alte amerikanische Ethos,
das ja einmal gegolten hat) gleich käme. Doch was wäre, wenn wir
versuchsweise durch die Augen unserer Mitmenschen blicken würden?
Frauen und Männer könnten doch einmal die Rollen tauschen. Mehr
Verständnis füreinander könnte die Folge sein, und zwar nicht nur
als gutmenschliche Phrase. Wir könnten uns in die Lage von jemand
hinein versetzen, der sich gezwungen sieht, seine Heimat zu
verlassen, weil es dort keine Perspektive für ihn gibt. Er würde
sich damit sogar im Einklang mit neoliberaler Idiologie befinden, die
ja die grenzenlose Mobilität und Flexibilität fordert.
Man würde
über tausend lebensgefährliche Wege in ein reiches Land kommen, das sich
weitgehend gleichgültig oder sogar feindlich einem gegenüber
verhält. Man würde in einem Land, das selbst zu einem großen Teil
aus „Flüchtlingen“ besteht, sich als Außenseiter und
diskriminiert vorkommen. Man könnte sich, was eine anspruchsvollere Übung
wäre, bis zu einem gewissen Grad in ein Tier hineinversetzen,
in dessen eigene Welt mit all ihren gegebenen
Selbstverständlichkeiten und Gesetzmäßigkeiten. Fressen und
gefressen werden. Fortpflanzung. Tod. Von außen betrachtet. Wie aber
würde die Innenansicht aussehen? Walforscher, Delfinforscher,
Elefanten, Menschenaffen? Wie sieht ihre Welt aus? Wie empfinden sie
die?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen