Ein Durchgang durch Realitäten aus meiner Sicht - Blog von Ulrich Bauer (Ergänzt ubpage.de)
Freitag, 21. Oktober 2022
Den Widerspruch leben
Wir blicken in das, was zurück liegt und versuchen, dadurch etwas in sich Widersprüchliches besser zu begreifen: Wir lassen uns zur Vergangenheit inspirieren und sollen begreifen, dass wir eine bestimmte Person waren und jetzt noch sind (oder nicht sind?). Gleichzeitig fühlen wir uns als jemand anderes, der zurück blickt. Dazwischen ist alles Zeit. Wir leben ein Paradoxon und sollen es aushalten. Uns überschwemmen bestimmte Bewusstseinsinhalte, denen wir mutig entgegen treten sollen: Wir leben nur in der Gegenwart! Wie oft habe ich diesen Spruch gehört. Nie zurück blicken! Scheint inzwischen fast so etwas wie ein Gemeinplatz geworden zu sein. Sagt sich leicht als billige Weisheit, die eine ihrer schwächlicheren Wurzeln in der Psychologie sieht.
Ich glaube, man kann in der Gegenwart leben und trotzdem akzeptieren, dass man so wie jetzt geschichtlich geworden ist. Dass man hinein geschlittert ist in eine Gegenwart, die man vielleicht erst viel später besser begreift: Immer weiter, bis es – zack! - zu einem Ende kommt. Man darf sich wundern: bin das ich oder war das ich? Der Mensch ist wohl, mag er noch so ein marottenhafter Einzelgänger sein, ein soziales Wesen und als solcher bestimmten Verhältnissen ausgeliefert. Will man sich begreifen, einem Selbst näher kommen, sollte man sich wohl auch von seiner Vergangenheit inspirieren lassen, ohne daran mit einem „Früher-war-alles-besser“-Gefühl kleben zu bleiben. Vielleicht geht es darum, das ganze Gebilde, das man selbst darstellt, besser zu begreifen, sich seiner selbst bewusst zu werden, oder zumindest versuchen, sich diesem selbst anzunähern, es herein zu holen in das, was man aktuell darstellt. Das scheinbar Selbstverständliche auflösen in etwas, über das man sich wundern kann. Sich die Frage stellen, ob es auch anders hätte laufen können. Dem Tatsächlichen und Faktischen die Sphäre des Selbstverständlichen nehmen, das zu akzeptieren man damals verurteilt war.
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