Reise durch Wirklichkeiten

Montag, 31. Oktober 2022

De Maddin

Was wohl Martin Luther zum Zustand unserer heutigen Gesellschaft gesagt hätte? Klar, der Mann hat im sechzehnten Jahrhundert gelebt. Trotzdem durchweht seine Ansichten ein Geist von Nächstenliebe (ja, auch trotz seines zeitgebundenen Antisemitismus), der so gar nicht zum heute herrschenden Klima der gegenseitigen Ausbeutung passt. Die Maxime, dass Unternehmen und Verbraucher ihren Gewinn und Nutzen maximieren sollen, hätte ihm wohl nicht so recht gefallen, ja, er hätte das wohl angegriffen. Auch das System von Zins und Zinseszins hätte er wohl kaum als gottgegeben akzeptiert, wie es heutige Ökonomen zu tun scheinen. Immer wieder wandte er sich entschieden gegen alle Arten, die Mitmenschen zu übervorteilen, gegen Habsucht, Profitgier und Wucher. Mit der Kapitalwirtschaft hat er damals nichts anfangen können (die Fugger standen geifernd am Horizont). Was er wohl von der heutigen Bankenlandschaft und ihren Handelnden halten würde? Oder von den beispielslosen Betrugsversuchen einer großen Automobil-Firma mit ihrem "globalen" Abgasskandal? Firmen, die sich ihren „Erfolg“ durch schönrednende und lügende (Fake Facts) Werbeagenturen flankieren lassen? Wie er wohl die Doktrin gefunden hätte, dass diejenigen Produkte die besten sein sollen, die dem rücksichtslosesten Konzern am meisten Gewinn versprechen? Welche Rolle wohl bei ihm der sogenannte „Kundennutzen“ gespielt hätte? Sicher ist wohl, das all diese Annahmen und Thesen überhaupt nicht zu ihm und der von ihm vertretenen individuellen Moral gepasst hätten. Wucherern verweigerte er die Sakramente. Er nannte sie „Stuhlräuber“. Ob es solche „Stuhlräuber“ auch heute noch viel zu viele gibt? Es soll sich jeder nach seinem eigenen Gewissen entscheiden, und nicht nach einem von sakralen Institutionen vorgegebenen Rahmen: Das unter anderem ist es ja wohl, was die Essenz von Luthers Weltbild ausmacht. Den Nächsten als reinen Verbraucher, als Faktor des Profits zu sehen, zur Zahl degeneriert, wäre ihm wohl vollkommen fremd. Oder Harmlos und peinlich wirken dagegen die Versuche der heutigen Ökonomen mit ihrem Versuch, den Philosophen Adam Smith und dessen Sicht auf einen sich selbst regulierenden „Freien Markt“ für sich in Stellung zu bringen. Problem ist, dass wir hier schon lange keinen „Freien Markt“ mehr haben.

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