Reise durch Wirklichkeiten

Mittwoch, 17. Februar 2021

Juristerei (1)

Für mich war die Juristerei stets eine Art „Afterwissenschaft“. Ich unterschätzte die komplette Dimension des Rechts und des Rechtsstaats, fürwahr. Aber ich lebte immer im Bewusstsein, dass ein Rechtssystem gesetzt, dem Bürger vorgesetzt, werden könne. Es könne etwas nach bestimmten Interessen Veränderbares sein, wovor mir geradezu ekelte. Ich muss heute zur Kenntnis nehmen, dass Juristen in allen Bereichen der Gesellschaft den Ton angeben, dass sie den Status Quo verwalten sollen. Ob Menschen wie Ghandi, von Stauffenberg, Mandela etc. das geltende „Recht“ gebrochen haben? Ob die Weimarer Verfassung änderbar war? Die Verfassung der DDR? Ob jemand in der Zeit danach sein Recht „gesetzt“ hat? Ob es gar eine Art von Verantwortung geht? Die Juristen, die ich kennengelernt haben, halten von diesem Begriff offensichtlich gar nichts. Sie wollen möglichst kundig darin sein, die Paragraphenwelt zu durchdringen und sie richtig so anzuwenden, dass bestimmte Interessen gewahrt bleiben und sie selbst in optimaler Weise profitieren. Anwälte kassieren fette Honorare, Richter sind stets überlastet und ruhen sich auf ihrer vom Staat garantierten Sicherheit aus. Das scheint mir der praktizierte Alltag zu sein, der uns lange genug als „alternativlos“ dargestellt wurde. So etwas wie Ethik und Moral scheint mir da längst verloren gegangen zu sein, wobei der Mangel an dieser Dimension gleichzeitig eine Art „Überschießen“ in diese Richtung gebracht hat. Moralische Positionen werden allmählich auch bei uns so eingenommen, dass sich dadurch eine Art „Absolutheitsanspruch“ ergeben hat, mit dem keineswegs diskutiert werden kann.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen