Reise durch Wirklichkeiten

Samstag, 6. Juni 2015

Sprüchlein zum Tage

Mir ist ein Bändlein über oder von Johann Wolfgang von Goethe in die Hände gefallen, das für jeden Tag einen anderen Satz, ein Motto oder eine Parole des Dichterfürsten anbietet. Natürlich sind solche Sammlungen bei aller Art von Gläubigen beliebt. Die große Autorität. Die Durchblicker. Den „Spruch zum Tage“. Also was sagt er, der Dichter? „ Alles, was wir treiben und tun, ist ein Abmüden. Wohl dem, der nicht müde wird!“. Als eine Art Aufmunterung empfand ich das nach langer durchwachter Nacht. Wirklich nicht gut geschlafen. Leider werde ich dann während des Tages viel zu oft müde, ich weiß es jetzt schon. Mit Kaffee erst mal diese Bremse bekämpfen, um das Sein kämpfen, denn ich will heute was erleben. Wenn wir aber, aus höherer Warte gesehen, dauernd am Abmüden sind, dann macht das nichts aus, ist geradezu tröstlich. Vielleicht entstehen aus diesem Schleier des Vorbewussten interessante Einfälle, halbbewusste Vorstellungen, verzerrte Wahrnehmungen, über die wir staunen könnten. Meistens aber, jaja, ist da eine lähmende Passivität, die nach Ruhe und Stillstand verlangt. Goethe scheint da auch ein bisschen neidisch auf diejenigen zu sein, die nie müde werden. Ob so etwas mit dem Blutdruck zusammen hängt? Oder eine Veranlagung ist? 
Der Jet Lag zumindest macht alle müde und lätschig. Ich habe es oft mit einem halben und höflich verschämten Seitenblick erlebt. Schlimm ist es, wenn das Individuum morgens sich abschnallt und aus dem Flugzeug geht. Da sind genervte Gesichter, da ist ein Stolpern, ein Abgreifen ohne jede Kontrolle, ein Wanken, lauter in der Luft stehende Wünsche nach Schlaf. Ein einziges offensichtliches Abmüden also. Danach erstehen offenbar wieder lauter fitte und optimistische Menschen, die ihr Abmüden überwunden haben. Oder auch nicht? Die kleinen Minicomputer an der Hand, dort wo früher die Armbanduhr prangte, werden's wohl wissen und die diesbezüglichen Daten (samt ein paar anderen) schnell den Versicherungen und anderen geneigten Institutionen übermitteln. Jemand, der zur Abmüdung neigt, der neigt auch zum Autounfall, - oder?. Oder zu anderen unkontrollierbaren Fehlleistungen. Der bedient irgendetwas falsch. Der versteht ein Gadget miss. Ein Tool. Der weiß zu wenig damit umzugehen. Die Hypothese muss überprüft werden. Danach freilich gibt’s Rabatte für diejenigen, die nicht so schnell müde werden, die nicht abmüden. So ist Goethe heute zu verstehen. Vielleicht. 

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