Reise durch Wirklichkeiten

Sonntag, 21. Juni 2015

Neue Reiche

Ich fragte eine Bekannte, die sehr viele Talente hat und sich unter anderem in der Gastronomie selbständig gemacht hatte, nach einem bestimmten Fußballspiel. Sie explodierte fast: „Diese jämmerlichen Versager“, so ihre Einlassung „die verlieren und kriegen trotzdem das, was eine ganze Kleinstadt im Monat verdient. Die sind doch total überbezahlt und bilden sich auch noch etwas darauf ein!“. Recht hat sie!, dachte ich. Doch es sind leider die vielen Dummen, die so etwas brauchen und deshalb ihren Idolen alles und jede Summe bezahlen, über Fernsehen, Werbung und Stadionbesuche. "Brot und Spiele" ist ja eine uralte Strategie. Ich sagte ihr das, was sie freilich noch wütender machte. „Leider ist das so! Ich für mein Teil sehe deshalb gar keinen Sport mehr im Fernsehen und verabscheue den ganzen Apparat, der dahinter steht“. So geht ein ganz einfaches und direktes Empfinden für Leistung Bezahlung in einer Gesellschaft, dachte ich.Wenn bloß mehr Leute so denken würden, dann würden nicht gar so viele junge Fußballschnösel eine solch dämliche Arroganz an den Tag legen, dann hätten sie ein bisschen mehr Verbindung zu der Denke, mit der sich ihr Wohlstand auch verbindet. Dann wüssten sie wenigstens ein bisschen, das sie bloße und austauschbare Platzhalter für die Träume der Vielen sind, Projektionsfiguren für das Bedürfnis, sich mit dem zu identifizieren, was in unserer Gesellschaft als „erfolgreich“ bezeichnet wird. Etwas verstaubte Konzepte wie das der Begeisterung für einen Verein, scheinen gelegentlich auch dabei total daneben zu sein, wo Spieler ohnehin nur dort ihre Dienste verrichten, wo am meisten dafür bezahlt wird - genau wie in der "freien" Wirtschaft, wo die Angehörigkeit zu einem Betrieb nur so lange etwas wert zu sein scheint, wo das nicht Rationalisierungsbestrebungen zum Opfer fällt. Die meisten Journalisten jedenfalls beklatschen und bestärken mit ihren Mitteln und populistischem Ehrgeiz solche Mechanismen. Sie zählen sich als Vertreter der öffentlichen Meinung möglichst öffentlichkeitswirksam und beflissen zu den „Fans“ und hinterfragen Identifikationsmechanismen allenfalls sehr erratisch und meist von Bierwerbung flankiert. Man kann den Fußball mögen und trotzdem das Gebaren der FIFA ekelhaft finden, man kann die Bezahlung der Fußballprofis etwas übertrieben finden ohne gleich sich als Kommunist bezeichnen lassen zu müssen. DAX-Hierarchen scheinen ja auch in solchen Dimensionen zu verdienen. Auch deren Fragwürdigkeit dürfte wenigstens erwähnt werden. Geheiligt sei das Gesetz von Angebot und Nachfrage, das sich ja schon lange nicht mehr zu legitimieren braucht.

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