Pierre Brice ist tot. So hieß es gestern in den
News. Er wurde in tausend Bildern gezeigt, wie er einst bei Horst
Wendlandt oder Atze Brauner den Film-Winnetou machte, wie er ihn sehr
viel später in Bad Segeberg freilufttheatralisch wieder aufnahm und
wie er als alter Mann immer noch glaubhaft den Schönling geben konnte.
Sagenhaft. Auch seine zahlreichen Affären waren nicht verschwiegen. Es werden wohl Trophäen seiner Wirkung gewesen sein. Er wurde überwiegend als reale Person gewürdigt. Klaro. Mir
freilich hat sich sein Winnetou-Bild von damals für immer mit der
Karl May-Figur des Winnetou verbunden. Dass er Blutsbrüderschaft mit
Old Shatterhand geschlossen hatte auf diese elementare Weise, das hat
sich mir eingeprägt und war sicherlich einer der Anstöße für mein
Interesse für andere Kulturen und später für die Neugier auf ein Weltbild, wie es
bei den Indianern des Westens sich entwickelt hatte.Winnetou
irrlichterte in meinen Träumen herum und hatte wie
selbstverständlich das Gesicht von Pierre Brice. Karl May hatte ja
viele Reiseromane geschrieben, in denen er Kara Ben Nemsi und andere
markante Figuren auftreten ließ. Das war wahrer als jene Wahrheit,
die einem später neugierige Wahrheitsempiriker enthüllten: dass
nämlich Karl May nie in diesen Ländern unterwegs war, dass alles
„erstunken und erlogen“ war. Aber der Triumph war, dass er seine
Phantasie dorthin schickte und uns alle daran teilhaben ließ. Dass
es etwas jenseits der Lüge und der Macht des Faktischen gibt. Ernst
Bloch hat es einst Utopie genannt. Schillernd verführerisch. Aber auch gefährlich. May hingegen war
mit der schieren Illusion zufrieden, so, wie es beispielsweise der
Film an und für sich ist.
Doch zurück zu Winnetou und Pierre Brice. Als Brice
in Bad Segeberg anheuerte, waren wir alle froh: Winnetou war endlich zu sich
selbst zurück gekehrt. Er ließ nicht andere sich selbst spielen. Die Welt war wieder in Ordnung. Völlig unwesentlich, dass damals bei den Dreharbeiten jugoslawische
Karstlandschaften den Westen abgegeben hatten. Es war ja ohnehin die
Phantasie, die siegte, der Traum, der uns regierte. Das Wilde,
Elementare war ein Mythos, der wilde Westen das Abenteuer. Hinzu kam
eine Prise unterschwelliger Erotik, denn mit Dahlia Lavi als
Indianerin Paloma und Marie Versini als Nscho-Tschi waren ja meist
zwei höchst attraktive Damen dabei. Pierre Brice oder Winnetou nahm
das alles mit, wie selbstverständlich läufig beiläufig. Eine
Zeitlang war es Kult. Bis die handelnden Personen älter wurden und
schließlich der Reihe nach starben. Jetzt ist die letzte und
wichtigste Person dieses Mythos im realen Leben gestorben.
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