Reise durch Wirklichkeiten

Sonntag, 6. Dezember 2020

Selbstoptimierung

Selbstoptimierung, ein Zauberbegriff aus der Welt vor Corona. Manager machten Kurse in Achtsamkeit und Meditation, nur um ihre Mitarbeiter noch entspannter und effektiver „freisetzen“ zu können. Oder sie machten Kurse, um beispielsweise neue Hobbies für sich zu finden, neue Reiseziele, ihre Grenzen zu sprengen, sich auf verschiedenen Gebieten auszuprobieren, „resilienter“ (ein Modebegriff, der etwa so viel bedeuten könnte wie widerstandsfähiger aufgrund von Bewusstmachung) zu werden gegenüber all den Anforderungen des Zeitgeists. Es mag dabei auch das alte Ideal der „Selbstverwirklichung“ aufscheinen, das aus den späten sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts heraus unter anderem auf literarischem Gebiet den Schriftsteller Hermann Hesse zum Vorbild nahm. Es entwickelte sich eine eigene Form des Ehrgeizes, die versprach, in die Entschleunigung samt der dazu passenden Bewusstwerdung zu führen und dabei den Blick auf die Uhr nicht vergaß, um die Versprechen der Effizienz für sich einzulösen. Wann habe ich es geschafft? Dabei führten solche Bestrebungen ja wohl zunehmend in immer differenziertere Formen von Subwelten, von stark untereinander abgeschotteten Lebenswelten, die schließlich kaum mehr etwas miteinander zu tun hatten und die Ziele des Neoliberalismus geradezu idealtypisch auch in finanziell-ökonomischer Hinsicht verwirklichten. Selbstoptimierung erschien dafür aus kundiger Sicht der passende Begriff und schien eine glänzende Verkörperung des alten Fortschrittsglaubens des „Höher schneller weiter“ verbunden mit einem permanenten Versprechen der Individualisierung abzugeben. Wird das alles nach Corona wieder so sein als wie zuvor?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen