Ich lese über Wolfgang Herrndorf und sein Werk „Tschick“. Dabei denke ich daran, dass das als Theaterstück seit Ewigkeiten in einem von hier aus gut erreichbaren Kulturtempel läuft, einem alternativen Spezialetablissement für die Besserverdienenden. Eine verlotterte Klasse ehemaliger 68er will darin eine Prekariatsikone mit migrantischem Hintergrund besichtigen, sich kulturell bestärken in seinem in schwarze Klamotten gekleideten Gutmenschentum, den für sich so verstandenen kritischen Zeitgeist pflegen und dazu ein paar Lachshäppchen mit etwas Champagner einwerfen, - anschließend in die 8Zylinder-Limousine mit Chauffeur steigen, nachdem man das Klo im alternativen Kulttempel voll geschissen, gepisst und besprenkelt hat, weil einem das natürlich in seinem Selbstverwirklichungswahn immer dann zusteht, wenn man den Affekt dafür spürt. Daheim macht eine möglichst billig geheuerte Putzfrau die Bude sauber. Man muss ihr sehr präzise erklären, was man will: gerade das Klo soll ja besonders sauber sein. Sodann steigt man in seine teure Armani-Klamotte und fährt zum Meeting, Brainstorming oder Briefing in die Toskana, wo man eine Zweitwohnung besitzt, selbstverständlich steuerlich "günstig" abgesetzt. Genießen heißt die Maxime. Egal, auf welche Art und wessen Kosten. Was ist mit einem Begriff wie „Dritte Welt“? War mal angesagt. Wurde mit Theorien umsponnen, wie alles. Mit Geschwätz. Jetzt gelten nur noch persönlich gemachte Erfahrungen und man selbst, das heilige Ich. Egal, ob der Mensch ein soziales Wesen sei. Jetzt wird wild gefressen und gefickt. Man kriegt das mit - samt all der Rechtfertigungsoden und denkt: Wenn schon nicht mal deren Selbstversuch taugt!.... Die 68er und ihre Gefolgsleute sind wahrlich erbärmlich herunter gekommen....Hm, Herrndorf hat sich am Ende abgeknallt, Schlingensief ist gestorben.
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