Welche Verachtung liegt denn da dahinter? Ich war nahezu jeden Tag
auf der Autobahn unterwegs und allzu oft ballten sie hinter und neben
mir die Faust, überholten mich demonstrativ rechts, fletschten die
Zähne und machten wild fuchtelnd Fotos mit dem Handy, wobei manche
Verkehrsteilnehmer über solchen Übungen die Kontrolle über ihr
Fahrzeug komplett zu verlieren drohten. Dabei glaube ich, ein
vergleichsweise empathischer und gelassener Fahrer zu sein, der den
Flow nicht gerade verzögert. Jaja, die schlauen Psychologen erklären
einem, dass sich die Leute im Straßenverkehr eine Art Tarnkappe der
Anonymität überziehen und unter deren Schutz glauben, „mal
richtig die Sau rauslassen“ zu können. Mir kam es aber oft so vor,
als würden die Leute ganz bewusst in ihrem Streitwagen sitzen, und
ihren Pferdestärken die Sporen geben, nach dem Motto „Höher,
schneller, weiter“ und "ich bin im Wettbewerb". Der andere ist da nur noch Gegner und die
Gesamtveranstaltung könnte „Krieg mit anderen Mitteln“ heißen.
Nicht nur die „political correctness“, sondern allerlei
moralisch-ethische Maßstäbe schieben einem solchen Verhalten
zumindest in Europa den Riegel vor. Aber die zivilisatorische Decke
scheint recht dünn zu sein. Es geht darum, den anderen fertig zu
machen, ihn zu übertrumpfen, ihn zu „versägen“, ihn zu
erledigen: Als ein Ventil des Alltags, zu dem man den von Jahr zu
Jahr immer neu mit Pferdestärken und Kilowattstunden aufgerüsteten
Streitwagen an den Start bringt. Man hat den sogenannten Wettbewerb
verinnerlicht, man scheint ganz unwillkürlich und scheinbar
selbstverständlich zu glauben, dass das ganze Spiel des Gewinners
und Verlierers einen legitimiere, den anderen vernichten zu dürfen.
Empathie und Rücksichtnahme sind da nur Schwächen. Jawohl, der
Wettbewerb erlaubt alles. Es gilt der allüberall so verherrlichte
„Wettbewerb“. Da wird bis kurz vor der Messstelle, mit der der
Staat als Raubritter an der Veranstaltung auch gerne teilnimmt,
munter Gas gegeben. Unmittelbar davor kommt die große Bremsaktion
und der Wagen wird brutal bis zur geforderten Geschwindigkeit
herabgebremst, kurz danach wieder herb beschleunigt. Auch sehr
ökologisch, das! Die Checker, die Bescheidwisser und cleveren
Überholer sind halt unterwegs. Sie bringen unter anderem auch diese
Art der staatlichen Abkassiererei hervor. Es könnte ja auch darum
gehen, Feinstaub oder Lärm zu vermeiden. Es könnte darum gehen,
Gefahren zu vermeiden, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Könnte ja
eine Überlegung wert sein und könnte ja auch mal Sinn haben.
Es gilt das Recht des scheinbar Stärkeren. Es ist dies auch das Gängige, was jeder weiß. Wirklich?
Wieso verhält er sich dann aber auf der Autobahn wie eine Sau? Wider
besseres Wissen? Ist vielleicht das Wissen und der Verstand gar nicht
das Entscheidende? Werden wir von rudimentären Trieben zu unserem
Verhalten gebracht? Von losgelösten Emotionen? Mehr als wir denken?
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