Ein Durchgang durch Realitäten aus meiner Sicht - Blog von Ulrich Bauer (Ergänzt ubpage.de)
Dienstag, 26. Juli 2022
Vorne dran
Manche waren stets vorne. Gaben die Leithammel, die anderen sagten, was Sache ist. Die wussten, worum es ging.
Die nicht warteten, sondern etwas taten. Ein blödes Gefühl überkam uns da. Wir sahen sogar auf sie herab. Die Überangepassten waren uns suspekt.
Diejenigen, die in der Schule und „im Leben“ überall Einser hatten. Die weit vorne waren. Die Musterschüler.
Die Stipendienerhalter. Als „Primus“ bewährt. Die „Durchsetzungsfähigen“. Die „Karrierebewussten“.
Die überall vorne dran waren. Die unbedingt Medizin studieren wollten. Die als „große Begabungen“ galten.
Die „Schlauen“. Dahinter vermuteten wir die falschen Gründe. Wohl auch zu recht. Die schienen
dem System allzu willfährig zu sein. Zu anpassungsfähig. Aus unserer Perspektive. Wir wollten da nicht mithalten.
Denn wir glaubten uns im Recht. Pointe: Später schnitten sie uns eine lange Nase, die Karrieristen. Sie
hatten alles richtig gemacht. Wir nicht. Sie hatten ihre Karriere gemacht. Wir hatten unseren Niedergang
zelebrieren müssen. Sie waren beispielsweise auf dem Ticket einer Partei voran gekommen und, waren in die
entscheidenden Gremien eingerückt.
Wir hingegen hatten uns mit nichts identifizieren wollen und können. Wir beobachteten, versuchten,
zu analysieren und hielten uns im Übrigen Optionen offen. Dass das ein Luxus war, erkannten wir zu spät. Der
Ehrgeiz fehlte uns. Der Wille, voran zu kommen und "etwas aus sich zu machen". Den Preis hatten wir später zu bezahlen.
Das „Gestalten wollen“ (was eine andere Formulierung für „Macht ausüben“ ist) übte auf uns keine Anziehungskraft aus.
Wir machten uns keine Illusionen. Also sackten wir ab. Schnell, intelligent und offen zu sein lehnten wir als Vorzeigeeigenschaften ab.
Das war man auf eine eher selbstverständliche Art. Understatement: Nicht aufdringlich sein.
Die Gesellschaft hat sich freilich so weiter entwickelt, dass sie das nicht honoriert, sondern negativ sanktioniert, dass sie das abstraft. Es scheint
nämlich darauf anzukommen, etwas zu zeigen, vorzutäuschen, was nicht unbedingt da sein muss. Es gilt die Verkaufe, nie der Inhalt.
Blender werden belohnt. Phrasen abspulen können, das wäre es. Überzeugungen zu haben, ist dagegen nicht sehr beliebt.
Es gilt vielmehr, „die richtigen“ Überzeugungen zu haben.
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