Reise durch Wirklichkeiten

Sonntag, 3. Juli 2022

Postheroisch

Was überhaupt könnte Neoliberalismus sein, von dem viele reden (geredet haben)? Er scheint noch lange nicht so vergangen zu sein, wie die Mächtigen gerne behaupten. Die Politikwissenschaft behauptete über lange Zeit hier ein „postheroisches Zeitalter“, in das wir speziell in der Bundesrepublik hinein geworfen sein würden. Der Krieg zeigt diesbezüglich ja gewisse Dinge. Wir sollten dabei aber nicht vernachlässigen, dass gewisse stark im Vordergrund agierenden Personen in den „Pandora Papers“ Erwähnung fanden, die die Segnungen des Neoliberalismus vielleicht ein bisschen zu aufdringlich beschworen haben. Nun ja. „Flexibilisierung der Arbeitswelt“ könnte ein Stichwort sein, das den Neoliberalismus unter anderem stark geprägt hat. Also die Loslösung von Menschen aus kollektiven Bindungen, etwa Tarifverträgen, und die Überantwortung solcher Bindungen an einen Markt, der schon alles irgendwie regeln möge. Voraussetzung dazu wäre eine Selbstoptimierung, also die Voraussetzung, dass jeder als Einzelner die Voraussetzung zu seinem Glück schaffen könne. Der „Wettbewerb“ scheint solch ein Begriff zu sein, der vom Neoliberalismus und seinen nachfolgenden Bewusstseinsverkrustungen heilig gesprochen ist. Ebenso der Begriff der „Leistung“, der möglichst von allen kollektiven Bindungen befreit sein müsse. Der Leistungssport scheint hier eine wichtige Schrittmacherrolle zu spielen. Prinzip: „The Winner takes it all“. Das heißt: Derjenige, der sich durchsetzt gegen alle andern, bekommt die ganze Aufmerksamkeit und das ganze Geld. Gewinner sind oft auch jene, die so glänzend dargestellt werden, weil sie ihre „Mitbewerber“ haben schlecht aussehen lassen. Neoliberalismus könnte aber auch etwas zu tun haben mit der Aushöhlung der Souveränität einzelner Staaten zugunsten einer Globalisierung des Turbokapitalismus, der alle soziale Bindungen aushölt, alles mit Geld regelt und jene Globalisierungsgewinner schafft, die uns in den Medien so gerne im Hochglanzformat präsentiert werden. Neoliberalismus könnte auch etwas zu tun haben mit dem Ideal des flexiblen Menschen, der sich allen vorgegebenen Strukturen möglichst optimal anpasst. Ob das etwas mit Konformitätsdruck zu tun hat? Dem folgen, was gerade opportun ist, ob das ein Ideal sein kann? Ob dem gegenüber Sinnstrukturen stehen, die nicht dem „Markt“ oder dem „Geld“ verpflichtet sind? Die über die Heiligsprechung des Einzelnen und die Nutzenorientierung des Marktes hinaus weist?

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