Reise durch Wirklichkeiten

Montag, 11. Juli 2022

Spirit in the Sky

Dass die Spiritualität so etwas wie der Gegenpol, der Widerpart der überkommenen Religion in unserer zeitgenössischen Gesellschaft sei, habe ich jetzt oft gelesen. Gottesdienste scheinen schlecht oder nur noch von einer kleinen Zielgruppe regelmäßig besucht zu sein, heißt es. Sie seien aus Mangel aus Interesse und Personal zusammengelegt, fusioniert, rationalisiert. Wo es früher 5 Gottesdienste in benachbarten Gemeinden gegeben habe, seien sie nun aus Mangel an Interesse zusammengelegt zu einem einzigen. Die Amtskirche mit ihren Beamten und dem Verwaltungsapparat habe ausgedient, habe ihre Attraktivität gänzlich verloren. Kein Mensch wisse mehr, was eine von christlich-jüdischen Werten geprägte Deutung der Wirklichkeit und als "heilig" empfundene Verfassung überhaupt sei. Was könnte angesichts dessen also Spiritualität überhaupt sein? Was verstehen wir darunter? Es mag bei ihr nicht darum gehen, Dogmen nachzubilden, sondern offen zu leben. In ihr gehe es vor allem um Erfahrung, also um etwas Persönliches, um Selbsterkenntnis, um einen Übergang zu einem Zustand, der zu einer Befreiung führt. Ob dies freilich auch in dieser Form schon wieder verallgemeinert werden kann? Wo ist die Abgrenzung zur Esoterik und magischen Ritualen? Wundersteine, Händelesen, Pendeleien, Rituale..... Dekorationen für das äußere und innere Leben? Es gibt ja ganze Messen, die die Vielfalt des Esoterik-Supermarktes feilbieten. Alles hat seinen Preis, so scheint das über allem stehende Credo dort zu lauten. Sehr viele esoterische Praktiken haben sich halt auch dadurch kompromitiert, dass sie sich im marktwirtschaftlichen Sinne mit einem Preis versehen haben, dass sie sich eingefügt haben in ein neoliberales Weltbild, in dem jeder sich sein Seelenheil zu einem vom Markt bestimmten materiellen Preis „erwirbt“. Was nichts kostet, ist nichts wert? Ohne Kohle kein Seelenheil, so hat die Basis einer solchen Praxis oft gelautet. Oft sind dann auch noch autoritäre Strukturen, Guru-Konfigurationen und „Meister“-Verehrungen gefolgt, die meist den finanziellen Ruin des Gläubigen und den frech zur Schau gestellten Luxus des „Führers“ (jawohl, es waren in dieser Funktion meist Männer, die sich selbst zum „Erleuchteten“ oder „Auserwählten“ verklärt haben. Ob das etwas über eine machistisch toxische Kultur aussagt?) Ob aber das seelische Heil von einer bestimmten Organisationsform abhängt, etwa in den „Christlich-abendländischen“ Religionen? Ob es etwas gibt, das zumindest als Sehnsucht im Innern verwurzelt ist und für den modernen Menschen mit seinem ach so wissenschaftlichen Weltbild erschlossen werden kann? Speist sich ein solches Bedürfnis auch aus der Erfahrung der Urhorde, die sich in kriegerischen Auseinandersetzung mit anderen befunden hat und dabei Seelentröstung und -heil verlangte? Hm, das erscheint dem modernen Menschen nicht erlaubt. Galt es, die tiefsten Bedürfnisse, die im Diesseits nicht zu erfüllen waren, ins Jenseits zu verlegen? Ob ein Gebet das Schicksal oder den Lauf der Dinge verändern kann? Eine Zwiesprache mit etwas Höherem?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen