Reise durch Wirklichkeiten

Samstag, 2. Juni 2018

Partizipation (3)

Ob Partizipation und Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen etwas Typisches für unsere repräsentative Demokratie ist? Der oft und vor Politikern selten geäußerte Spruch ist doch der von „denen da oben, die doch tun und lassen, was sie wollen“. Partizipation wird in diesem Zusammenhang auch oft als Simulation erkannt, das heißt, als Vorspielen eines Prozesses und einer Situation, die aber keinesfalls zutrifft. Eine Sache, ein Gesprächsthema „mit nach Berlin“ nehmen, würde der sprachlichen Einkreisung einer solchen Situation in vielen Bürgersprechstunden und Bürgerversammlung entsprechen. Es werden vom Parteiestablishment oft Situationen organisiert, in denen der Bürger seinen von ihm gewählten Politikern entgegen treten und dabei seine Meinung kund tun soll. „Reden wir miteinander auf Augenhöhe!“ scheint das Motto solcher Veranstaltungen, deren typischer Ablauf auch neulich in einem Film zu besichtigen war. Politiker beschwichtigen dabei fast schon wie aufsichtspflichtige Eltern ihre besorgten Bürger, die Probleme damit haben, aus der Rolle des nach oben blickenden Bittstellers heraus zu kommen. 
Gerade die „Augenhöhe“ ist Augenwischerei und institutionalisierte Täuschung in der gegenwärtigen Verfassung unserer Demokratie. Das Wahlvolk kann zwar wählen und jede Stimme wiegt gleich viel. Danach aber kommt es zu einem politischen Prozess, der Machtverhältnisse und gewisse finanzielle Gegebenheiten mit sich bringt. Der durchschnittliche Politiker scheint den Kontakt mit der Realität verloren zu haben, wofür es gerade in jüngster Zeit sehr offensichtliche Belege zu geben scheint. Doch an solchen Verhältnissen wird gerade gerüttelt, alte Selbstverständlichkeiten zerfallen wie die Volksparteien, neue Formen der Transparenz sind unterwegs. Es weiß nur noch keiner, wie sie genau aussehen werden. Dass Bürger mehr sein wollen, als Statisten in einem parlamentarischen Getriebe, dass sie sich mehr Elemente der direkten Demokratie wünschen, ist nicht erst seit den vergangenen Wahlen in Deutschland offensichtlich. Sprechblasen, wie sie bevorzugt auch die Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen samt mancher privater Sender unter die Leute bringen, scheinen in einem solchen Umfeld nicht mehr angesagt. Scheinpartizipationen, bei der Politiker über ihre bereits im Vorfeld gefassten Beschlüsse und umgesetzten Erkenntnisse bestenfalls informieren, aber kaum Anregungen dazu entgegen nehmen oder ein wirkliches Feedback stattfindet, sind passée. Intransparenz auf allen wichtigen Gebieten scheint derzeit das Gebot des politischen Apparats. Stattdessen sind offenbar die Lobbyisten die wahren Entscheider in politischen Prozessen. Sie sollen das "Fachwissen" einbringen. Dass sich hierbei gewisse Parteien im Deutschen Bundestag gegen ein Register solcher Lobbyisten sperren, scheint Ausdruck einer nicht verstanden Veränderung in unserer Gesellschaft. 
Parteien scheinen sich gleichzeitig in „Bewegungen“ zu transformieren, die das inhaltlich Unbestimmte und gleichzeitig Personenzentrierte mehr in den Vordergrund schieben. Denn es scheint gleichzeitig ein neuer Personenkult auch in Europa Gestalt zu gewinnen: In Italien sind die Figuren Grillo und Berlusconi dafür tragend, in Österreich Kurz, in Frankreich Macron, außerhalb Europas Erdogan, Trump und Putin, die da nur die Spitze des Eisbergs abgeben.

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