Reise durch Wirklichkeiten

Freitag, 7. Juli 2017

Digitale Wirklichkeiten

Es war befürchtet und beschworen worden. Nicht zuletzt George Orwell unter anderem in seinem Roman „1984“ hatte massiv vor einer Welt gewarnt, in der die Überwachung die Rolle eines sich immer totalitärer gebärdenden Staates entscheidend stützen würde. Klar war immer, dass der Terrorismus und seine Bekämpfung das Einfallstor dafür sein würden. Sie würden das Argument dafür liefern. Die „innere Sicherheit“ glaubt der Staat nur auf einem von ihm definierten Weg erreichen zu können, der nach seiner Meinung immer weiter verschärft werden muss.
Nun scheint dies erst unmerklich, dann immer unverblümter, Wirklichkeit geworden zu sein. Eine gewisse Notwendigkeit und Zwangsläufigkeit scheint nicht nur in Mitteleuropa gerade in jüngsten Zeiten zusätzliche Wege zu ebnen. Die Schlinge scheint mit guten Argumenten immer enger gezogen zu werden, die digitale Überwachung totaler. „Big Brother is watching you“ scheint von der Bedrohung zum Schutz mutiert. Jedenfalls wollen uns das Meinungsführer aus allen politischen Ecken lernen lassen. Dass dabei auch gewisse freiheitliche Grundwerte, um der Verteidigung es nicht zuletzt gehen könnte, aufgegeben werden könnten, scheint nicht im Blickfeld dieser Leute aufzutauchen. Nun dringt die Kunde zu uns, dass es in China ja besonders toll damit zugehen würde. Des Bürgers Wohlverhalten soll dort bis in möglichst alle Einzelheiten hinein digital erfasst, reguliert und bearbeitet werden, so heißt es. Es scheint, dass auf diese Weise die Begriffe „gut“ und „schlecht“ neu definiert werden sollen. Schon vor dem Hochhaus erwarten den Bürger Videokameras, die sein Verhalten in mannigfachen Parametern weitergeben an Behörden, die mit einem Punktesystem der in Daten aufbereiteten Angepasstheit aufwarten. Stromrechnung bezahlt? Impfung rechtzeitig absolviert? Steuern bezahlt? Blutspende? Geld gespendet für "guten Zweck"? Ein Kind zuviel in die Welt gesetzt? Per Gesichtserkennung identifiziert dich die staatliche App. Alles bequem und einfach. Selbstverständlich werden auch Preise für Wohlverhalten ausgelobt: Boni in öffentlichen Bibliotheken etwa. Noch scheint alles freiwillig. So fängt immer alles an. Überall. Doch schon bald stellt sich sozialer Druck ein, „es wird erwartet“, es wird obligatorisch, wer nicht mitmacht, macht sich verdächtig, der Staat kann ohnehin böse werden oder er sanktioniert das „Nicht mitmachen“ durch Druck, durch Strafen. „Erziehen“ lautet die Zauberformel. „Zivilisieren“. Marktgängigkeit erzeugen. So funktioniert das überall, nicht nur in China.  

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