Soziale Gerechtigkeit (3)
Es
war gestern nur so eine kleine Meldung zwischen Fußball und Terrorismus, zwischen
Trump und NATO: dass das Vermögen in Deutschland sehr ungleich
verteilt sei, hieß es da. Die reichsten 10 % der Leute würden mehr
als die Hälfte des Gesamtvermögens besitzen. Die untere Hälfte
aber gerade mal 1 %. Von Armut bedroht? Iwo, sagt da die
Bundeskanzlerin. Deutschland sei es noch nie so gut gegangen. Und im
Übrigen seien das alles nur Zahlen von Der Linken. Es gäbe ohnehin
viel zu viele Leute, die das schöne Deutschland schlecht reden
wollen, meint ein hoffungsvoll bebrillter CDU-Politiker der zweiten
Reihe, der eines Tages Merkel beerben will und deshalb bei jeder sich
bietenden Gelegenheit in den Medien auftritt. Vor allem Familien mit
Kindern hätten es schwer, so der Bericht weiter. Alles nur
Schwarzseher!, - scheint da eine gewisse Meinung dazu aufzublitzen.
Vertrauen in die Kraft der Innovation sei da nötig, so meint ein
anderer Politiker, dessen Partei bei den letzten Wahlen aus dem
Bundestag geflogen war. Jetzt wird aber heftig um ihn geworben, er
ist en vogue, was so richtig gut zu ihm passt. Damit
erhebt eine sich selbst dazu erklärende Politiker-Elite Anspruch auf
die Deutungshoheit über die Fakten, über die Wahrheit. Das
Grundgefühl vieler Menschen in Deutschland heute ist eines der Angst
und Sorge vor der Zukunft und vor Chancenlosigkeit. In Umfragen sagen
70 Prozent der Deutschen, dass sie die soziale Ungleichheit als zu
hoch empfinden. Immer mehr Menschen fühlen sich abgehängt. Es
stimmt etwas nicht in der Verteilung, auch wenn das nur eine schnell
vergessene Meldung unter anderen ist. Viele der Mächtigen leugnen
das Problem mit dem mantramäßig wiederholten Hinweis auf die
wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen zehn Jahre. Die
Arbeitslosenquote ist von über 5 Millionen auf heute 2,7 Millionen
halbiert worden. Wir sind stolz, Export-Vizeweltmeister zu sein, und
auf die vielen deutschen Weltmarktführer. Deutschland ist viel
besser durch die globale Finanzkrise und die europäische
Wirtschaftskrise gekommen als die meisten unserer Nachbarn. Jawohl, -
aber für viele Menschen könnte es besser sein. Viele ignorieren,
dass diese Erfolge nicht allen, sondern nur wenigen Menschen zugute
gekommen sind.
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