Reise durch Wirklichkeiten

Montag, 10. April 2017

Künstlernähe

Der alte Goethe, der Kafka, der Nietzsche, der Hesse, der Thomas Mann: nein, das sind nicht nur diese Kulturdenkmäler, als die sie Schülern jahrzehntelang eingebläut wurden. Und als die sie für alle anderen allenfalls eine leise Erinnerung sind. Georg Trakl, dessen Gedichte einst auswendig gelernt werden mussten, war ein armes Schwein, ein Süchtiger, ein Ekstatiker des Wortes, den wir als solchen jederzeit neu lesen können, der uns zum Vertrauten werden kann. Hey Schorsch! Salute! Auch der Dali und der Picasso, diese Superdenkmäler des Bildungsbürgertums, waren Opfer ihres eigenen Ruhms, sonnten sich in ihrem Stardasein und nutzten es nach Belieben aus. Verkauften sich an ihre Rolle. Schwache Menschen, große Künstler - vielleicht. Sie waren die Popstars ihrer Generation. Auch nicht schlecht. Sie stellten das Herausragende dar, ließen ihre Einseitigkeiten zelebrieren - bis auf Goethe, der vielleicht eine Universalbegabung war und sich auch in einer bürgerlichen Existenz ausleben wollte. Und, natürlich: Leonardo Da Vinci. Das Großgenie der Renaissance. Außerhalb jeden Zweifels. 
Aber die „Künstler“ der heutigen Zeit? Wer von denen ist überhaupt sichtbar? Wo? Aufgrund welcher Mechanismen? Wer inszeniert sich als Großfürst und klagt jedes Mal wortstark die Legitimation solchen künstlerischen Großfürstentums ein (es hat eine gewisse Lächerlichkeit, wenn ich da an bestimmte Personen denke...)? Wer zieht sich leise zurück in ein „Müssen“ und genießt dennoch in tausend Medienkolportagen die große Aufmerksamkeit? Wer hinterfragt ernsthaft die eigene „Größe“? Wer war Michelangelo? Ein ekstatischer Bohrer. Benn? Ein in Bürgerlichkeit geronnener Former. Und die vielen anderen? Die Zeitgenossen gar...?

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