Ein Durchgang durch Realitäten aus meiner Sicht - Blog von Ulrich Bauer (Ergänzt ubpage.de)
Freitag, 19. August 2016
Mit Sokrates sich selbst auf der Spur (1)
„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ sagte einst
Sokrates, der große griechische Philosoph des Nichtwissens und
Zweifels. Der Satz steht sogar draußen auf dem großen Poster in
meinem Zimmer. Er war und ist einer meiner Orientierungsmarken. Durch
die Praxis der Selbsterkenntnis entwickelt Sokrates eine Bewusstheit,
die auch ihr Nichtwissen annimmt. Er war ein Sucher des Selbst und
ein Liebhaber der Weisheit. Sich spüren, wie die Ego-Sucher heute so
gerne sagen, war sein alltäglicher Versuch. Sich erkennen. Dem
möglichst nahe kommen. Sich annähern und das dann auch spüren,
merken. Dabei brauchte er keine Bungee-Sprünge, Wasserturmsprünge
oder sonstige Fallschirmverrenkungen. Er war auf der Spur seiner
selbst und nahm dafür in Kauf, anders zu sein. Er war bereit, einen
Preis dafür zu bezahlen, was ihn letztlich wohl auch das Leben
gekostet hat. Denn die Umwelt will Angleichung, will uns in den
Algorithmus zwingen, in das Typische und Vorhersagbare. Aber
beispielsweise die Kunst kann einen Weg weisen, einen Fingerzeig
geben, zum Beispiel sie selbst suchen und sich dabei ausdrücken. Das
ureigene Selbst, das gerade nicht geklont werden kann, das sehr eigen
ist. Aber auch anderen Menschen dadurch neu begegnen. Den Austausch
dadurch anregen. Diese Ebene zu beschreiten lernen, sich hinein geben
in die Zeichen, die Bedeutungen und ihre Schönheiten. Das Abenteuer
wagen. Die Bereitschaft freundlich mit einem Lächeln aufbringen.
Jawohl, das könnte möglich sein – und nicht nur eine verbal nett
esoterisch klingende Vision. Ich selbst glaube das in der Realität
erlebt zu haben. Aber man kann diesen Vogel nicht festhalten. Er
fliegt womöglich davon und ist weg. Er ist womöglich selbst etwas
Vorübergehendes, Flüchtiges. Rede, Gegenrede, Dialog und Fragen:
das war Sokrates' Methode. Das Offene. Das manchmal auch Gefährliche
und Radikale. Nicht das festgefügte Dogma, nicht das absolute
Wissen. Nicht die Anmaßung, die leider zu oft von Religionen
ausgeht, deren fundamentalistische Form schon mal von göttlicher
Offenbarung ausgeht und sich dadurch jeden Diskurses entzieht. Etwas
ist richtig, weil es richtig ist! Wie weit ist das von Sokrates'
Sicht auf die Welt entfernt!
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