Reise durch Wirklichkeiten

Samstag, 7. März 2015

The Show must go on

Wie habe ich mich über diesen Andreas Kümmert in diesem Moment gefreut! Habe diese Ausscheidungsinszenierung ESC im Fernsehen zwar nicht gesehen, konnte mich aber danach eingehend über die Geschehnisse informieren. Da hat doch tatsächlich der Sieger den Sieg bei der nationalen Ausscheidung des „European Song Contest“ nicht angenommen und ihn einfach so an die Zweitplatzierte weiter gereicht, weil er sich „im Moment nicht in der Lage“ sehe, das Ding durchzustehen. Ungeheuerlich. Frechheit. Solch eine Ausscheidung! Wir kennen alle diese Lage, in der wir uns in eine Situation begeben, aus der wir plötzlich im harten Griff der Realität wieder aufwachen. Es ist dann wohl die letzte Gelegenheit für Kümmert gewesen, der ansonsten den Wettbewerb klar dominiert hat, aus dieser Geschichte herauszukommen. Wir könnten es nachvollziehen. Die Showmaschine stottert, er schlägt sogar die Zweitplatzierte als neue Siegerin vor (darf er das überhaupt?) und muss sich jetzt dafür fertig machen lassen. Ein Sensibler, einer, der es ernst meint mit sich und seiner Kunst, passt im Moment des Sieges nicht in das unbarmherzige Räderwerk dieses Gewerbes? Ist alles so, wie es scheint? Die Moderatorin macht Glupschaugen: Wie das? Einer, der sich nicht stromlinienförmig an die sogenannten „Zwänge“ dieses Geschäfts angepasst hat, stolpert öffentlichkeitswirksam und wird dadurch zum „Fall“? Ein „Fall“, wie ihn die einst kultige Showikone Madonna als PR für ihr neues Album bei den „Brit Awards“ auf ganz andere Weise vorgeführt hat. Eiskalt ist die nach ihrem ausführlichen Sturz von der Bühne aufgestanden und hat einfach weiter gemacht als jene Kunstfigur, die sie uns nun schon seit Jahrzehnten vorführt. Ein Moment ist sie aus der Rolle gefallen. Es ist wie beim Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Klar, war ja eine gute Werbeaktion für sie! Die versteht die Medien und kann mit ihnen umgehen. Das war schon immer so und ist es auch jetzt so. Beifall. Eine zur Millionärin verkörperte Postmoderne! 
Es wird ja ansonsten viel über „Würde“ im Alter gequasselt. Alte Säcke passen ihren Stil ihrem Alter an. Versuchen nicht, als Springinsfeld iuvenil wie einst herumzuhüpfen, sondern verkaufen sich geläutert bedächtig. Ob Madonna  nun ein besonders gelungenes Beispiel dafür ist? Ob für sie ein paar Züge abgefahren sind? 
Kultfigur und Megastar zu sein, ist für sie wohl Vergangenheit. Jetzt muss man schon froh sein, wenn man nicht von der Bühne fällt. Es ist ein glatt polierter Scherz, immer schon gewesen. In jeder Hinsicht. Und jetzt kommt einer, tritt auf deutsche Bühnen, führt seine Stimme und nichts als seine Stimme vor, um anschließend zu erklären, dass er den klaren Sieg nicht annimmt? Ein Wurzelsepp, einer, der nicht in die Abläufe und Erwartungen des Showgeschäfts passt, einer, dem man zuschreibt, krankhaft sensibel zu sein? Einer, der im letzten Moment aus dieser Kunstwelt aussteigen will? Einer, den der NDR-Unterhaltungschef Thomas Schreiber vom veranstaltenden Fernsehen, wie er in einer Pressekonferenz bekannt hat, zuvor gar nicht gekannt hat? Ein Nobody und No name, der „nur“ eine großartige Stimme hat? Ein Sieger in einem Wettbewerb, der den Egoismus auf seinem Feld durchdekliniert, um zuletzt doch zu passen? Oder ist's alles ganz anders gewesen? War's ein ganz besonderer Gag von ihm, oder war's sein tatsächliches Erschrecken? Wir werden's erleben. 

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