Reise durch Wirklichkeiten

Dienstag, 17. März 2015

Schumpeter rocks

Was habe ich im Internetlexikon zu Joseph Schumpeter (1883-1950) gefunden, mit dem ich mich einst im Studium stark beschäftigt hatte und der mich schon seit längerem immer wieder beschäftigt? Der Name ist ja nicht nur vergessen, sondern war nie wirklich populär. Ich habe ein paar Kürzungen und Ergänzungen vorgenommen, den angebotenen Text aber weitgehend übernommen. Klar, denn viele Politikerinnen und Politiker verhalten sich heutzutage oft so: gewissenlos, nur auf billigste Zustimmung aus, demagogisch populistisch. Wer die meisten Stimmen auf sich vereint, hat gewonnen, egal mit welcher Weltanschauung. Die scheint im Grunde austauschbar. Es geht nur um die Macht. Dadurch werden in Schumpeters Demokratieansatz BürgerInnen keine Möglichkeiten der Teilnahme am politischen System eingeräumt. Er begründet seinen minimalistischen Demokratieansatz mit einem pessimistischen Bild des/der Wählers/in, den/die er als selbstsüchtig, wankelmütig, irrational, infantil beschreibt. WählerInnen und Regierung streben primär ihren eigenen Interessen, Machterwerb und -erhalt nach. In seiner Argumentation grenzt sich Schumpeter somit deutlich von der normativen, von ihm so genannten „klassischen Lehre der Demokratie“ ab, die sich auf Vorstellungen von Gemeinwohl und Gemeinwillen (volonté générale: Jean Jacques Rousseau) stützt. Diese Vorstellungen entsprechen nach Schumpeter aber nicht der Realität einer zunehmenden Individualisierung in der Gesellschaft (Neoliberalismus). In Schumpeters Demokratielehre sind WählerInnen mit KonsumentInnen gleichzusetzen, Schumpeter belegt seine Lehre vom „unmündigen Bürger“ mit  Theorien wie der Massenpsychologie oder Lehre der fehlenden KonsumentInnensouveränität.
 BürgerInnen sind aber nicht nur Affekt gesteuert und manipulationsanfällig, sie sind in der Politik hoch beeinflussbar. Schumpeters WählerInnen werden folglich nicht als urteilsfähige Subjekte verstanden, sondern als markt- und werbungsabhängige KonsumentInnen. Somit ist nach Schumpeter der Gemeinwille, „Erzeugnis und nicht die Triebkraft des politischen Prozesses“. Der Wille des Volkes bzw. der Mehrheit ist somit keine feststehende und unabhängige Größe, sondern entwickelt sich erst innerhalb des politischen Prozesses.  Indem er die Prämisse des „mündigen Bürgers“ im politischen Bereich ablehnt, wird den BürgerInnen nur noch die Funktion der Wahl und Abwahl der politischen Elite zugestanden. Es spielen also keine idealistischen Überzeugungen eine Rolle, sondern die wirtschaftlich begründete Möglichkeit, viele Wählerstimmen auf sich zu vereinen. Vielleicht ist der heutzutage offensichtlich sehr verbreitete Pragmatismus der politischen Führungselite, verbunden mit ein paar volkpädagogischen Floskeln, im Schumpeter'schen Sinne einer Demokratiedeutung. Vielleicht ist das eine Überlegung auch für den wert, der diese Einschätzungen nicht teilt.   

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