Reise durch Wirklichkeiten

Mittwoch, 21. September 2022

Valerie (49)

Sie zeigte ihm dabei immer neue Möglichkeiten, sich zu begegnen. Ihr Körper war ein Berg, den er mühelos bestieg und war Tal, in dem er sich ausruhte. Bei dem Gipfel, den sie erreichten, war die Aussicht weit, der Blick klar. Sie schien alle Wege zum Gipfel zu kennen und zeigte ihm stets einen neuen – und der Schweiß, den man vergoss, rann wie ein Gebirgsbach weiter, immer weiter abwärts in Richtung Meer. Sie lagen erschöpft nebeneinander und er fühlte sich wieder bei sich selbst, seine Gedanken klinkten sich wieder ein in den Strom seines Bewusstseins. War er glücklich gewesen oder war das nur eine übertriebene Einschätzung? Er schämte sich vor sich selbst ob solch törichter Fragen. Er war es gewohnt, alles in Frage zu stellen, selbst den Gegenwert ihres Körpers, den er eben erlebt, ertastet und gespürt hatte. Er hatte das mit seinen Händen, nein, mit allen seinen Sinnen begriffen. Man hatte miteinander geschlafen, das war alles. Eigentlich immer dassselbe – und trotzdem musste er sich zugestehen, dass es diesmal anders war. Die Dinge, - und vor allem Valerie, hatten ihn überwältigt, überrannt… und er war nicht dazu gekommen, die Lage zu kontrollieren. Er hatte sich eine Weile treiben lassen und nicht, wie so oft, Gleichgültigkeit erfahren. Valerie hatte wohl von Anfang an einen Nerv in ihm getroffen, den er ansonsten ängstlich abschirmte. Er war eine Weile außer sich selbst gewesen, als Teil dessen, was er suchte, eine Möglichkeit unter vielen, die er sein konnte. In der Vergangenheit hatte er diese Eindrücke schon mal mithilfe von Drogen gesucht, hatte darüber aber festgestellt, dass für ihn die Möglichkeit bestand, eher von dieser Wirklichkeit weg zu kommen als sich ihr anzunähern.

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