Reise durch Wirklichkeiten

Donnerstag, 9. Juli 2020

Valerie (10)

Die Dinge näher an die Menschen rücken lassen, von denen er einer war, die Dinge näher, gleichsam außer sich selbst sehen zu wollen, das erschien ihm nicht abseitig und verstiegen. Der Alltag stellte ihm ja manche Mittel dazu zur Verfügung, genormte Träume, Fernsehen, Musik, Kino, Literatur, die ja in diesem Sinne Ersatz sein mochten. Drogen gestatteten auf eine gewisse Zeit, sich anderswohin zu flüchten, aus der monotonen Leere geschlossener Systeme heraus in private Anarchien. Er hatte davon Gebrauch gemacht und schätzte ihre unverbindliche Vorläufigkeit. Nun also wollte er beginnen, mit der Realität zu probieren, nicht nur in Gedanken, im Kopf, diese bizarre Bühne zu pflegen, auf der die seltsamsten Stücke gespielt wurden und in denen er als Spieler teilnahm oder im Publikum saß und sich immer weniger amüsierte. Er wollte damit auf den Prüfstand, Versuchsballons steigen lassen und neugierig sein...You can have it, if you want it“ hörte er eine Stimme aus dem Radio säuseln. Er musste grinsen. Er dachte an Seeleute, Piratengeschichten und einarmige Banditen, die das Glück herausforderten, an Schiffe in Seenot und diese berühmten Figuren, die sich als einzige an den Strand einer unbewohnten Insel retten konnten. Er dachte aber auch an die Haufen gestrandeter Leichen, Flüchtlinge, vor einer Macht, die ihnen die Bedingungen ihrer Existenz diktieren wollte. Aufgedunsen und halb verwest, teilweise erschossen und teilweise ertrunken.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen