Reise durch Wirklichkeiten

Montag, 31. Oktober 2022

De Maddin

Was wohl Martin Luther zum Zustand unserer heutigen Gesellschaft gesagt hätte? Klar, der Mann hat im sechzehnten Jahrhundert gelebt. Trotzdem durchweht seine Ansichten ein Geist von Nächstenliebe (ja, auch trotz seines zeitgebundenen Antisemitismus), der so gar nicht zum heute herrschenden Klima der gegenseitigen Ausbeutung passt. Die Maxime, dass Unternehmen und Verbraucher ihren Gewinn und Nutzen maximieren sollen, hätte ihm wohl nicht so recht gefallen, ja, er hätte das wohl angegriffen. Auch das System von Zins und Zinseszins hätte er wohl kaum als gottgegeben akzeptiert, wie es heutige Ökonomen zu tun scheinen. Immer wieder wandte er sich entschieden gegen alle Arten, die Mitmenschen zu übervorteilen, gegen Habsucht, Profitgier und Wucher. Mit der Kapitalwirtschaft hat er damals nichts anfangen können (die Fugger standen geifernd am Horizont). Was er wohl von der heutigen Bankenlandschaft und ihren Handelnden halten würde? Oder von den beispielslosen Betrugsversuchen einer großen Automobil-Firma mit ihrem "globalen" Abgasskandal? Firmen, die sich ihren „Erfolg“ durch schönrednende und lügende (Fake Facts) Werbeagenturen flankieren lassen? Wie er wohl die Doktrin gefunden hätte, dass diejenigen Produkte die besten sein sollen, die dem rücksichtslosesten Konzern am meisten Gewinn versprechen? Welche Rolle wohl bei ihm der sogenannte „Kundennutzen“ gespielt hätte? Sicher ist wohl, das all diese Annahmen und Thesen überhaupt nicht zu ihm und der von ihm vertretenen individuellen Moral gepasst hätten. Wucherern verweigerte er die Sakramente. Er nannte sie „Stuhlräuber“. Ob es solche „Stuhlräuber“ auch heute noch viel zu viele gibt? Es soll sich jeder nach seinem eigenen Gewissen entscheiden, und nicht nach einem von sakralen Institutionen vorgegebenen Rahmen: Das unter anderem ist es ja wohl, was die Essenz von Luthers Weltbild ausmacht. Den Nächsten als reinen Verbraucher, als Faktor des Profits zu sehen, zur Zahl degeneriert, wäre ihm wohl vollkommen fremd. Oder Harmlos und peinlich wirken dagegen die Versuche der heutigen Ökonomen mit ihrem Versuch, den Philosophen Adam Smith und dessen Sicht auf einen sich selbst regulierenden „Freien Markt“ für sich in Stellung zu bringen. Problem ist, dass wir hier schon lange keinen „Freien Markt“ mehr haben.

Sonntag, 30. Oktober 2022

Sportrechte

Da verschlägt es mir die Sprache: Wenn ich jetzt sehe, wer sich für den wüsten Wüstenstaat als Fußball-WM-Ort einsetzt, wer sich unter Umständen mit hochbezahlten Werbejobs dafür ausspricht und dafür hergibt, welche Verbände und Führungsfiguren, welche Konzerne und welche Firmen sich dafür jetzt immer heftiger und lauter einsetzen, dann finde ich, dass das für sich selbst spricht. Kommentar überflüssig. Auch die Argumentationen dafür gleichen sich, ja, sie laufen geradezu in eine uniforme Richtung. Ich gebe zu, dass ich das, eine solch öffentliche Demaskierung, nicht für möglich gehalten hätte. Menschenrechte, das hielt ich für etwas Absolutes. Ich weiß allerdings nicht, ob in nächster Zukunft, das (Flüssig)Gas eine Rolle spielen wird – und welche. Realpolitik? Pragmatismus? Ich sehe aber daran, dass man hier ganz offen für Geld und „Wohlstand“ alles zu machen und zu verkaufen bereit ist. Das scheint mir auch politische Implikationen zu haben und die Gesellschaft zu durchdringen. Ob es da keine Angst gibt, langfristig auf der falschen Seite zu stehen? Welche Rolle da die Medien spielen? Geld gegen Leichen? Wie setzt man sich über alle Einwände hinweg? Die Argumentation scheint mir dafür einigermaßen gleichförmig zu sein: Größmögliche Brutalität mit Durchsetzungswillen gepaart. Aber alles smart.

Samstag, 29. Oktober 2022

Geschändete Natur und Kultur?

Wir sehen die Bilder, wie Menschen „bedeutende“ Kunstwerke mit Tomatensuppe besudeln, um sich anschließend mit Sekundenkleber an diese ach so „bedeutenden“ und – wertvollen!!! - Kunstwerke zu kleben, - und wir sehen junge Journalisten, die das schwer kritisieren als einen Rechtsbruch, dem gefälligst eine angemessene Strafe drohen müsse. Immerhin gehe es um das Recht auf Eigentum,einen Wert, den vor allem der Kunstbetrieb dem betreffenden Werk zugeschrieben habe. Erfolgsgeile Karrieristen und Günstlinge des Systems sind diese Journalisten, die als solche leicht reden haben und etwas scheinbar Eigenes möglichst im populistischen Einklang mit der Massenmeinung fordern. Sie sind in der Logik der Macht, im Pragmatismus dieser Tage, der sich im Interesse der Politik, der Ökonomie und - überhaupt! - der Macht glaubt. Mich überfällt da oft eine Traurigkeit, ein Einsehen in die Verderbtheit von Menschen, die mit ihrer „kognitiven Dissonanz“ genau das Gegenteil von dem fordern, was sie zu vertreten vorgeben. „Green Washing“ ist angesagt, jeder will irgendwie „Bio“ – und alle tun sie das, was der Natur am meisten schadet. Verzweiflung könnte angesichts dessen um sich greifen, die Einsicht, dass wir etwas begreifen, es aber nicht tun. Ob hier zwei Ebenen des Seins und des Sinns aufeinander prallen? Diejenigen, die daran gehindert werden, ihrer täglichen Reproduktion und ihren Jobs nachzugehen, ohne deren Verdienste sie zweifellos verloren scheinen und diejenigen, die am Großen und Ganzen verzweifeln? Jeweils auf ihrer Ebene haben diese Handlungsmöglichkeiten ihre Konsequenzen, die im konkreten Fall unerbittlich aufeinander prallen. Müssen sie das? Wenn die Lage so verzweifelt ist, wieso verhalten sich gewisse „coole Säue“ so, als gäbe es keine Natur? Als seien sie alleine, ohne jeden Bezug zur Natur, auf der Welt? Jawohl, solche Leute gibt es zuhauf. Ich empfehle, sich einmal mit einem Ingenieur zu unterhalten, der mit der Konstruktion der Apparate zur Durchführung eines dicken und fetten Betrugs an der Natur und der Menschlichkeit befasst war. Natürlich hat er „nur“ auf Befehl gehandelt und trägt keinerlei Verantwortung. Solche Einstellungen kennen wir aus der deutschen Geschichte zur Genüge. Reine technokratische Pflichterfüllung ohne jede moralische Verantwortung…...Nun ja, alleine schon die Benennung spricht Bände.

Freitag, 28. Oktober 2022

Kommunikation in der Natur

Im Namen der Wissenschaft sollen hier in der Gegend Affen gequält worden sein. Massentierhaltung: Wie da mit den Schweinen umgegangen wird! Sind das Dinge oder Tiere, Geschöpfe mit Empfindungen und einer eigenen Welt? Ob wir uns darüber austauschen könnten? Kommunizieren? Man kommt ins Grübeln: Was überhaupt ist Kommunikation? Das soziale Geräusch? Der Austausch an Information, Kultur? Eine Gleichgerichtetheit? Ein gegenseitg in sich hineinversetzen können? Ich weiß nicht, ob sich ein Hund in mich hinein versetzen kann. Er hat seine eigene Welt. Ist es eine kleine Welt? Er kann meine Gefühle teilen. Er kann das "rüber" bringen in meine Welt. Wir hingegen wollen alles beherrschen. Wir sind die Schlauesten. Naturgemäß. Die Besten, die Erfolgreichsten. Was ist Bewusstsein? Menschliches Bewusstsein? Symbolisiert Gott ein höheres Bewusstsein? Das Tier hat die Frist, die ihm gegeben ist und es gibt sich ihm hin. Es hat eine große Selbstverständlichkeit. Uns bleibt der Schmerz, der Zweifel, der uns lähmt. Dieser Hund hat das Tun. Er wird enttäuscht, reagiert aber „mechanisch“ darauf. Er nimmt das, er nimmt die Aufgaben, die ihm gegeben sind, an,. Es ist für ihn das Leben. Er ist im Einklang mit seiner Umwelt. Er gibt sein Bestes. Mir hat damals der Film „Katzenmenschen“ gefallen, dieses sich Hineinversetzen, dieses durch die Augen eines Tieres blicken, der Reflex, die Grausamkeit, das Verrecken, - der Tod ist Teil dieser Realität... Empathie ist wesentlich für das Menschsein: sich in jemanden anderen, ein anderes Wesen hinein versetzen zu können. Die Isolation weitgehend überwinden. Antizipation. Könnte auch eine Stärke des Menschen sein. Du hast damals Briefe an eine international bekannte Schauspielerin geschrieben. Es kam keine Antwort. Du wolltest dich selber durch den Austausch deiner Umwelt neu erfahren, du wolltest dich erweitern, weil du glaubtest, die Umwelt habe Rückwirkungen. Du bist aber ganz klein und billig gescheitert. An allem. Mit Hunden umgehen wie mit Menschen. Keinen Unterschied machen. Auch als „aufgeklärte“ Person. Schon mal gesehen, wie Tiere umgebracht werden, von einem Metzger, von einem Bauern, von einem beliebigen Schlachtermenschen, mit dem Hammer ein Lamm in den Kopf geschlagen? Ob man danach noch ein Schnitzel essen will?

Donnerstag, 27. Oktober 2022

"Sozialneid"

Es ist ja ein gängiger Reflex, dass alle und jede Diskussion zum Thema Einkommensverteilung und Vermögen schnell unter dem Stichwort „Neidreflex“, „Sozialneid“ oder „Neiddebatte“ abgewürgt wird. Nun sollte an dieser Stelle klar zwischen personenorientierter und strukturenorientierter Debatte unterschieden werden. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich über ganz bestimmte Personen oder über Strukturen diskutiere, die hinter gewissen Entwicklungen stehen, die diese Personen wohl begünstigt oder zumindest beeinflusst haben. Diese Personen selbst sind jemanden wie mir völlig egal. Sie sind nur lächerliche arme Würstchen und als Rädchen in einem Gesamtgetriebe interessant, als dem Ganzen ausgelieferte Personen, die ein gewisses Bild von sich selbst pflegen und sich nach gewissen sozialen Spielregeln verhalten. Diese Regeln sind durchaus veränderbar, im Gegensatz zu anderslautenden Behauptungen. Ob die öffentlichen Haushalte eine angemessene Ausstattung haben, wie der Staat und seine Organe damit umgehen, in welchem Zusammenhang mit dem Thema „Geld“ und Neid mit dem Thema Arbeit, Sinn und persönliche Entfaltung stehen, solche Fragen scheinen da zusehends in den Hintergrund zu treten. Wie wäre es im Austausch mit einer „Neiddebatte“ von einer „Gierdebatte“ zu reden? Dass die Klasse der „Manager“ viel zu viel verdiene, sei Sache der Wirtschaft und keinesfalls eine der Grundansichten von Gesellschaft, schon gar nicht der Politik - so heißt es gerne. Die einzig maßgeblichen Faktoren seien dabei Angebot und Nachfrage. Ob eine solche Ansicht von der Vision eines tatsächlich „freien“ Marktes ausgeht? Ob nicht neben dem vielgescholtenen Staat und seinen Möglichkeiten sehr viele Faktoren auf den „Markt“ einwirken, unter anderem auch welche der sozialen Herkunft, der Werteorientierung, der „vertikalen Durchlässigkeit eines Gemeingebildes“ und anderer Faktoren? Nicht nur nach soziologischen Einschätzungen könnte dies ja so etwas wie den Motor einer innovativen Entwicklung ausmachen. Ob die vielbeschworene „Vernetzung“ (also das „Networking“) an dieser Stelle nicht eine gewaltige Rolle spielt? Ob sich da innerhalb einer „Klasse“, einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten, nicht eine Kumpelmentalität breit machen kann? Oder ob gar die Machtfrage ganz generell eine wichtige Rolle spielt? Wird man „freie Marktwirtschaft“ und gerechte Verteilung innerhalb einer Gesellschaft so rigide auseinander dividieren können?

Dienstag, 25. Oktober 2022

Status Quo

Die Deutschen wollen keinen Wandel. Das zeigen Wahlen auf verschiedenen politischen Ebenen. Ob dahinter etwas anderes steckt? Die so vollmundig verkündete „Zeitenwende“ scheint jedenfalls nichts Populäres zu enthalten. Ein Umdenken ist offenbar tabu. Das mit dem Wachstum und dem „Wohlstand“ soll weitergehen. Egal, was so ein Depp da so macht. Überhaupt: Alles soll weitergehen. Risiko! Black Out? Iwo! Bei uns doch nicht! Klimawandel? Status Quo, okay. SUV kaufen? 500 PS? Ein Hoch der Autoindustrie mit ihren Arbeitsplätzen! Fressen, Saufen, Ficken. Fußball! Super- Discounter für alle! Wer mit wem? Von Tag zu Tag. Pragmatik. Weiter so....Und die "Eliten" tun so, als ob......

Montag, 24. Oktober 2022

Vom Individuum zum Kollektiv

Dies hier habe ich auf einem alten Zettel gefunden, der mein früheres Sein markiert hat. Es steht dies in einem größeren Zusammenhang, der mich in wechselnder Form immer wieder beschäftigt hat. Ich habe damit zusammen hängend öfters Anwandlungen, mich selbst als Ganzes zu suchen, auch in der Vergangenheit, in der Person, aus der heraus ich mich entwickelt habe. Der folgende Ausschnitt mag ein kleiner Beleg dafür sein: Wir haben immer nur Ausschnitte vom Leben, oder was man dafür hält. Jeweils, je nach Perspektive. Hattest du nie Lust, Alles kennenzulernen, das Ganze? Ich weiß, das ist hemmungslos anspruchsvoll, unrealistisch und so weiter..… Aber zieht einen nicht die Aussicht hinan, sein eigenes kleines beschränktes Ich zu verlassen und zum Ganzen Vielen zu werden, zu allem? Aus den Augen aller zu blicken? Etwas oder jemanden wirklich kennen zu lernen? Ja, ich höre das Lachen von vielen Seiten und ihr habt ja recht mit euren Einwänden. Ich kenne sie. Aber trotzdem, stell's Dir vor! Nicht als Profi-Philosoph, sondern einfach nur als Mensch, - wenn du das noch sein kannst. Lache nicht! Wer kann das unter den gegebenen Umständen schon mit Sicherheit von sich behaupten, ein Mensch zu sein? Sei anspruchsvoll und unersättlich. Lass dich ziehen von der Aussicht, deine eigene kleine beschränkte Aussicht zu erweitern, hinein in andere Perspektiven. Lerne, damit zu spielen, ein Ich zu sein und ebenso kein Ich zu sein!

Sonntag, 23. Oktober 2022

Diskutanten

Jetzt diskutieren sie im TV wieder, all jene, die in ihrer Besserverdienenden-Arroganz nachdrücklich behaupten, sie hätten die 300 Euro nicht nötig und wie furchtbar es sei, dass dieses Geld mit der Gießkanne ausgeschüttet werden solle. Sie nicken sich verschmitzt zu und sind sich einig, diese elitären Stinker und neunmalschlauen Idioten mit den dicken Beraterjobs oder den Geschäftsführer/Direktorenpositionen. Sie bedauern direkt oder indirekt, dass sie den Ton nicht angeben, sie kennen ja den Weg, um alles besser zu machen. Parole: Umsatz statt Menschenrechte. So etwas Extremes wie Demut ist ihnen nicht geläufig. Solche Züge des Umgangs scheinen Frankreich stellenweise noch stärker, an anderen Stellen schwächer. Die sogenannte „Elite“ ist in Frankreich ein relativ abgeschotteter Kreis von Menschen, die die „Führungspositionen“ untereinander tauschen und sich im Scheine ihrer Elitenangehörigkeit gefallen. Blöd nur, dass sie demokratisch gewählt werden. Anschließend lassen sich die Diskutanten von ihrem Chauffeur in riesigen Limousinen zu ihrem Wohlgefallen fahren.

Samstag, 22. Oktober 2022

Bilanz

Ich lese etwas über die Einstellungen der Jugend zur heutigen Politik in Deutschland und ich erinnere mich, wie das bei mir damals war. Ich hatte in der Schule diese freiheitliche Grundordnung jederzeit verteidigt, hatte ihr die besten Motive zugetraut und den politischen Alltag darauf bezogen. Ich kannte das Grundgesetz ganz genau. Erste und daraufhin heftige Zweifel keimten aber in mir, als ein bräsig adipöser Kanzler großspurig davon ausging, dass sich mit „Bimbes“ alles regeln ließe. „Bimbes“ war wohl ein provinziell gemütliches Wort, das für Geld (und damit eine ziemlich ungemütliche Härte) und den Umstand, dass Geld die Welt regiert, stand. Ich war bis dahin zu gutgläubig gewesen, hatte an eine freiheitliche Grundordnung unabhängig vom wirtschaftlichen Stand der Beteiligten geglaubt, ja, ich hatte mich sogar für ein Studium der Politikwissenschaft im Anschluss an das entschieden, was uns in der Schule als „Gemeinschaftskunde“ vorgesetzt worden war. Doch die Spendenaffäre samt dieser Aussagen eines Kanzlers, die dann später in die bewusste verneinung des Grundgesetzes mündete, versetzte mir einen herben Dämpfer. Der Glaube an eine freiheitliche Grundordnung, für die ich als junger Mann sogar lange Monate des Dienstes geopfert hatte hatte, bröckelte nun gewaltig. Als sich eine anderer Bundeskanzler dann später anlässlich einer Überschwemmung tatsächlich mit Gummistiefeln beim Wahlvolk profilierte, machte mich fertig. Er hatte zuvor schon einen „Basta“-Stil praktiziert, der mir wenig sympathisch war und wohl eher auf diejenigen Sphären des bürgerlichen Daseins zielte, die ansonsten von Werbeagenturen „bearbeitet“ wurden. Doch die Pointe war: Diese Werbeagenturen hatten längst Einzug ins Regierungshandeln gefunden. Die anschließende politische „Demobilisierung“ kombiniert mit einer meiner Einschätzung nach bewussten Täuschung des Wahlvolks legte sich anschließend wie Mehltau über mein Bewusstsein. Der nun generell obsiegende und alles rechtfertigende „Wohlstand“ mitsamt seines damit einher gehende Konsumterrors schien in dieser, mich umgebenden Staatsform, aufgegangen zu sein. Und heute? Scheinen Transparenz und innere Gerechtigkeit Werte zu sein, die sehr weit entfernt vom Faktischen zu sein scheinen. Die Jugend scheint (zu Recht!, wie ich meine) jeglichen Glauben an die Demokratie mit ihren im Ungefähren verlaufenden Untersuchungsmechanismen, mit ihrer Interessenpolitik, mit ihren gesellschaftlichen Abschottungen von Politik und Gesellschaft und allzu berechnet eingesetzten Langsamkeiten verloren zu haben. Sehr sichtbare Verkrustungen des Systems und die Routinen des Parteienstaats scheinen den politischen Alltag inzwischen zu beherrschen. Die Art, wie Minister und Abgeordnete während der Debatten scheinbar gleichgültig in ihre Smartphones daddeln, scheint mir da sehr verräterisch für eine innere Einstellung zu stehen. Es ist dies alles ein Geschäft geworden, in dem sich der Regierungsapparat in dicken Limousinen und abgeschottet von aller Alltäglichkeit zu seinen Sitzungen fahren lässt. Abgehobenheit in jeglicher Beziehung scheint dieses wichtigtuerische Personal zu kennzeichnen. Und doch: Diese Apologeten haben ja recht: Es ist vielleicht eine demokratische Möglichkeit, die anderen diesbezüglichen Versuchen womöglich weit voraus ist. Freilich sollte sich niemand darauf ausruhen, sondern bestrebt sein, das vermeintlich Gute besser zu machen. Da ist noch „viel Luft nach oben“.

Freitag, 21. Oktober 2022

Den Widerspruch leben

Wir blicken in das, was zurück liegt und versuchen, dadurch etwas in sich Widersprüchliches besser zu begreifen: Wir lassen uns zur Vergangenheit inspirieren und sollen begreifen, dass wir eine bestimmte Person waren und jetzt noch sind (oder nicht sind?). Gleichzeitig fühlen wir uns als jemand anderes, der zurück blickt. Dazwischen ist alles Zeit. Wir leben ein Paradoxon und sollen es aushalten. Uns überschwemmen bestimmte Bewusstseinsinhalte, denen wir mutig entgegen treten sollen: Wir leben nur in der Gegenwart! Wie oft habe ich diesen Spruch gehört. Nie zurück blicken! Scheint inzwischen fast so etwas wie ein Gemeinplatz geworden zu sein. Sagt sich leicht als billige Weisheit, die eine ihrer schwächlicheren Wurzeln in der Psychologie sieht. Ich glaube, man kann in der Gegenwart leben und trotzdem akzeptieren, dass man so wie jetzt geschichtlich geworden ist. Dass man hinein geschlittert ist in eine Gegenwart, die man vielleicht erst viel später besser begreift: Immer weiter, bis es – zack! - zu einem Ende kommt. Man darf sich wundern: bin das ich oder war das ich? Der Mensch ist wohl, mag er noch so ein marottenhafter Einzelgänger sein, ein soziales Wesen und als solcher bestimmten Verhältnissen ausgeliefert. Will man sich begreifen, einem Selbst näher kommen, sollte man sich wohl auch von seiner Vergangenheit inspirieren lassen, ohne daran mit einem „Früher-war-alles-besser“-Gefühl kleben zu bleiben. Vielleicht geht es darum, das ganze Gebilde, das man selbst darstellt, besser zu begreifen, sich seiner selbst bewusst zu werden, oder zumindest versuchen, sich diesem selbst anzunähern, es herein zu holen in das, was man aktuell darstellt. Das scheinbar Selbstverständliche auflösen in etwas, über das man sich wundern kann. Sich die Frage stellen, ob es auch anders hätte laufen können. Dem Tatsächlichen und Faktischen die Sphäre des Selbstverständlichen nehmen, das zu akzeptieren man damals verurteilt war.

Donnerstag, 20. Oktober 2022

Wachstum ahoi!

Fetisch Wachstum: weil alles in 5500 Jahren Menschheitsgeschichte immer gewachsen ist, wird es auch weiterhin wachsen: So die Überzeugung, die viele Menschen, - und besonders ihre Politiker! - gerne teilen wollen. Was zu beobachten ist: Es herrscht eine dauernde Aufforderung zum Konsum. Durch Verschuldung wird zudem Wachstum geschaffen. Politiker beschwören es in tausend Formen, im Chor und alleine, sie reden es jetzt gerade nach und bei und vor Corona sehnlichst herbei, Wirtschaftskapitäne sowieso. Wirtschaftswissenschaftler haben das ohnehin zur Voraussetzung ihrer Lehre gemacht und halten eisern daran fest: dass es auf einer Erde mit endlichen Ressourcen unendliches Wachstum geben könne. Alles immer effektiver. Aber kann eine Wirtschaft eigentlich unendlich wachsen auf einer Erde, deren Ressourcen endlich sind? Ob das nahe am Wahnsinn ist? Verrückt? Schafft Kreativität und Erfindungsreichtum unendliches Wachstum? "Innovation" nennen das gewisse Kreise. Reichtum, wenn er auf der Erde nicht steigerbar ist, wird er dann aus dem All kommen? Oder werden wir, also die vermögende Klasse der Menschen, ins All hinaus fahren (Musk, Bezos & Co. haben längst den Anfang gemacht) um dort irgendwo irgendwie eine neue Gesellschaft zu gründen. Die Erde mit ihren begrenzten Ressourcen wird dann sowieso verloren und ausgesaugt sein, die Idee von unendlichem Wachstum könnte dann längst aufgegeben und ausgeträumt sein. Und heute? Es scheint so, dass vieles vorbereitet wird und dass es vielen Menschen in der „entwickelten Welt“ schlechter geht als zuvor. Der Populismus feiert Triumphe. Alles zerfällt in der Polarisierung der Menschheit. Da könne nur noch mehr Wachstum helfen, dröhnt es geradezu in dem Chor von Politikern. Doch der Traum ist vorbei. Die einzigen Idioten, die eine solche Weltdeutung zur Grundlage ihrer Wissenschaft machten, sind die Betriebswirtschaftler, - die auf dieser Welt auch noch den Ton anzugeben scheinen. Der Mythos lebt.

Mittwoch, 19. Oktober 2022

Digitale Beschleunigung

Wäre eigentlich dringend nötig. Doch erstmal werden Phrasen gedroschen: „Digitaloffensive der Regierung“. „Wir machen das“. „Haben es uns fest vorgenommen“. Klausurtagungen samt Presse- und Absichtserklärungen. Noch sind nicht mal alle Funklöcher geschlossen und ein Krieg wütet, da scheint Deutschlands Regierung zum tausendsten Mal zur Digitaloffensive zu blasen. Deutschland solle bei der KI (Künstlichen Intelligenz) ganz vorne sein. Dabei soll Deutschland einen enormen Nachholbedarf haben und in der Reihenfolge der Länder, was Digitalisierung angeht, offenbar weit hinten liegen, - auf dem Niveau eines Landes, das erst angegangen hat, sich damit zu befassen. Länder wie China scheinen auf diesem Gebiet sowieso schon längst enteilt zu sein. Man wolle auch der Macht von Digitalkonzernen wie Facebook, Google und anderen etwas entgegensetzen, was eine für Europa einheitliche Steuer bedeuten könnte, so wird kolportiert. Nichts geschieht. Oder werden nicht kommuniziert. Schritte sind unternommen. Haha. Schon werden erste Gegenstimmen aus dem Kabinett laut. Der Kanzler und Spezialdemokrat Olaf Scholz scheint dabei besonders heraus zu ragen. Er fürchtet, so wird kolportiert, wie immer, „Nachteile für die Wirtschaft“. Wir bleiben ratlos zurück. Überhaupt kommt es einem so vor, als sei dies wieder einmal eine der typischen PR-Aktionen der Bundesregierung, der keinerlei Taten folgen und die vor allem eine gewisse öffentliche Wirkung zeitigen sollen. An meinem Anschluss ist jedenfalls noch nichts Beschleunigendes angekommen. Er bleibt langsam wie zuvor. Öffentliche Großsprechereien gab es diesbezüglich ja schon manche. Es werden wichtige Gesichter gemacht, Milliardenbeträge genannt und dann – nichts. Ach, und – ja: In der Verwaltung soll das, was jetzt eine Flut von Formularen und Beantragungen bedeutet, in Zukunft durch digitale Prozesse ersetzt werden. Doch in welcher Zukunft? Morgen oder 2030? Mal sehen. Fest steht: in der Vergangenheit wurde alles konsequent verpennt, verschlafen. Jetzt soll wohl in einem Hauruckverfahren ohne jede Beteiligung der Bürger, die sogenannte Digitalisierung von oben herab durchgepeitscht werden. Soll. Das soll wohl Aktivität und Tatkraft signalisieren. Was Digitalisierung alles bedeuten könnte, wird nicht diskutiert und scheint wie in all den Jahren zuvor "alternativlos". Ob das so recht demokratisch riecht? Nach Fortschritt gar?

Montag, 17. Oktober 2022

Verantwortungen

Nun ja, es wirkt erschütternd auf mich, wie unbedarft politisch Handelnde im Falle der Flutkatastrophe anscheinend nicht (!) gehandelt haben (wie sich jetzt heraus stellt). Dem scheint ein Grundsatzproblem unserer Gesellschaft zugrunde zu liegen: Der Weg von der Realität bis zur Entscheidung scheint ein ziemlich langer zu sein. Dies wirkt sich offenbar auf allen Ebenen der politischen Entscheidung aus. Aus einer gut behüteten und hoch bezahlten Komfortzone heraus sind solche Entscheidungen schwer zu fällen. Zu wahrscheinlich ist der Effekt, dass eine durch die Übermittlungsstation auch ungewollt herbei geführte nervöse Täuschung einer Mitteilung über Sachstände zugrunde liegt. Da werden vom Kreis der Lakaien offenbar mindestens zehn ehrerbietende Grußadressen und Entschuldigungsadressen geäußert, ehe es zu einer Reaktion kommt. Verantwortung? Ist auf diesem Weg schwer zu entscheiden oder zu tragen. Alles ist zu schwerfällig, träge und anonym geworden. Die Abwehrformeln sind alle schon formuliert! Die Entscheidungswege scheinen zu lang und zu unkonkret zu sein! Viel wichtiger scheint da ein Bad im sonnenden Mitgefühl zu sein, das deutsche Politiker bei solchen Gelegenheiten so gerne aufführen.

Sonntag, 16. Oktober 2022

Valerie (50)

„Weißt du, ich will das noch eine Weile machen, will mich unabhängig machen, mich in Sicherheit bringen und dann das machen, wozu ich Lust habe...das ist so ziemlich sicher….aber was heißt sicher….sicher ist gar nichts...Mich interessiert die Realität, die ich darzustellen habe, der Alltag der kleinen Leute genauso wie der der Spinner, der Normalen und der der Geflippten, kurz: Die Welt außerhalb dieser Scheinwelt, in die ich mich gedrängt fühle. Diese Typen hat man ja auch oft darzustellen in diesem Job – und wie soll man das machen, wenn man das gar nicht kennt, ihre Gefühle, ihre Gedanken, ihre Art zu leben, sich auszudrücken. Vielleicht starte ich deshalb diese kleinen lächerlichen Fluchtversuche wie gestern und hoffe, dass man mich nicht erkennt“. So ein Superstar bist du dann auch wieder nicht, dachte er. Ich erkannte dich auch nicht… Allerdings hatte er inzwischen erkannt, dass er in Zeitungen und Illustrierten, die er manchmal durchblätterte, über sie gelesen hatte. Das tat er immer dann, wenn er nicht schlafen konnte und sich für größere, längere Texte zu schlaff fühlte. Er glaubte auch, eine Serie von Fotos von ihr in einem sogenannten „Herrenmagazin“ gesehen zu haben. Solche Blätter kaufte er dann, wenn er längere Zeit nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen war.

Samstag, 15. Oktober 2022

Synthese (Gottfried Benn)

Synthese Schweigende Nacht. Schweigendes Haus. Ich aber bin der stillsten Sterne; Ich treibe auch mein eignes Licht Noch in die eigne Nacht hinaus. Ich bin gehirnlich heimgekehrt Aus Höhlen, Himmeln, Dreck und Vieh. Auch was sich noch der Frau gewährt, Ist dunkle süße Onanie. Ich wälze Welt. Ich röchle Raub. Und nächtens nackte ich im Glück: Es ringt kein Tod, es stinkt kein Staub Mich, Ich-begriff, zur Welt zurück. Gottfried Benn (1917)

Freitag, 14. Oktober 2022

Schlafwagenpolitik

Dass Merkel laut 67% von befragten Bürgern an der eingetretenen Misere in Deutschland nicht schuld sein soll, finde ich grotesk. Ich nenne ja normalerweise hier keine Namen. Aber in diesem Fall scheinen mir die (Nicht-) handelnden klar zu benennen zu sein: Die Dame M hat ja wohl zusammen mit anderen Politikern 16 Jahre lang eine Energiepolitik betrieben, die ja wohl in jeder Hinsicht katastrophal war und uns nun um die Ohren fliegt. Da ist es mehr als nur ein bedauerlicher Aspekt, dass sie für die erneuerbaren Energie offenbar nichts übrig hatte und deren Ausbau nicht gerade hyperaktiv betrieb. Blöd nur, dass ihr schläfriger Politikstil des Wurschdelpragmatismus zunehmend auch auf ihre politische Umgebung abgefärbt zu haben scheint. Man fuhr jedenfalls gemeinsam in einem Schlafwagen, dessen Fahrt geradewegs an die Wand führte. Doch Merkel, bauernschlau wie sie zu sein scheint, ist offenbar rechtzeitig aus dem Wagen ausgestiegen. Diejenigen, die auf sie folgen, machen ihre Sache jetzt ja wohl kaum besser, bauen meiner Meinung nach etwas zu träge auf Idiologie und auf PR-Phrasen. Sie haben aber die (kalte) Suppe auszulöffeln, die die Dame dem Land Schland eingebrockt hat. Das zumindest sollte man klar sehen.

Donnerstag, 13. Oktober 2022

Wettbewerb

Den Größeren, schnelleren, breiteren zu haben, das „Sich messen“, die Marktwirtschaft in den Köpfen, diese Mechanismen bestimmen (competition) offenbar die Wirklichkeit, sie treiben sie, nicht der Fluss, das gemeinsame Fließen, die Empathie, das Gefühl für das Ganze (wäre auch kein bisschen neoliberal im Sinne der Zeit), sondern das Vorwärtskommen auf Kosten der anderen….. „Top Dogs“ rasen in ihren fetten, Platz wegnehmenden und grün gewaschenen ("green washed") Electro-SUVs an einem vorbei, sie streben alle ehrgeizig ein Scheinziel an (das ihnen von den noch Mächtigeren vorgegeben ist), das sie nach einer genau bemessenen Zeit wieder verlassen… zurück ins Getriebe. Sie treiben ihre ach so nachhaltigen Allrads mit gelangweiltem Gesicht („was ist denn das für ein Loser!“) an dir vorbei, den Kisten, mit denen sie überall zeigen, dass sie auch unter Inflations- und Kriegsbedingungen nicht nur mehrmals im Jahr in den Urlaub fahren können, sondern auch zu fernen Zielen. Sie wollen sich locker entspannt zu den Besseren zählen (noch dürfen sie das völlig ungeniert… manche von ihnen sind sehr stolz drauf, andere nehmen es als Selbstverständlichkeit), aufgemotzt, aber dezent, Überlegenheit dauernd zu zeigen ist (k)ein schweres Geschäft…. Für Competition-Mitläufer, für Bewerber, für tüchtige Tüchtige, für Durchsetzer, für die, die alles richtig gemacht haben. Ob das eine gewisse Nähe zur gegenwärtigen (? polarisierten) USA hat?

Mittwoch, 12. Oktober 2022

Kapital-Sportsgeist

Windige Geschäftemacher geben in diesen Zeiten den reichen Vollhorst, indem sie ganze Fußballclubs kaufen, was bei einigen dieser Clubs nicht unbedingt zu mehr „Erfolg“ geführt hat. Lange Jahre waren diese Gschäftlhubers idiologisch und sonstwie von jenen Regierungskreisen gestützt worden, die im globalen System der Freien Marktwirtschaft hauptsächlich eines der persönlichen Bereicherung sahen und heftig auf Deregulierung in allen Bereichen drangen (alles, was sie taten, taten sie für (!) die „Angebotsseite“ der „Marktwirtschaft“). Das mag auch heute noch so sein, obwohl diese so systemimmanent handelnden Geschäftlmacher die eine oder andere geschäftliche Niederlage einstecken mussten und sich darüber mannigfache, für jeden sichtbare Rückschlagspotentiale einstellten. Auch führten gewisse Hintermänner in Geldbeschaffungsfragen wohl Regie, was im Augenblick so manche juristische Probleme und Bewertungsschwierigkeiten verursacht. Ob solche „Herren im Hintergrund“ auch Verbindungen zu Steuervermeidungsstrategen und Cum-Ex-Akrobaten hatten? Ob diese „Hintermänner“ in gewissen politischen Parteien ihre spezielle Rolle spielten, wobei keine ernsthafte Opposition erkennbar war, weil ja gerade diese parlamentarische Opposition dieselben Techniken der Geld- und Steuer-Statusbeschaffung pflegte? Ob hier eine gewisse Schwäche dieses Systems erkennbar wird und ob ein bisschen mehr Transparenz da gut täte? (Jawohl, hier ist vor allem die Rede von „Hintermännern“ und nicht von „Hinterfrauen“, von „Gschäftemachern“ und nicht von Gschäftemacherinnen“, von „Strategen“ und nicht „Strateginnen“)

Dienstag, 11. Oktober 2022

Was Schopenhauer über den Tod sagt

Folgendes habe ich bei Schopenhauer gelesen: „Nach Allem inzwischen, was über den Tod gelehrt worden, ist nicht zu leugnen, daß, wenigstens in Europa, die Meinung der Menschen, ja oft sogar des selben Individuums, gar häufig von Neuern hin und her schwankt zwischen der Auffassung des Todes als absoluter Vernichtung und der Annahme, daß wir gleichsam mit Haut und Haar unsterblich seien. Beides ist gleich falsch: allein wir haben nicht sowohl eine richtige Mitte zu treffen, als vielmehr den höheren Gesichtspunkt zu gewinnen, von welchem aus solche Ansichten von selbst wegfallen. Ich will, bei diesen Betrachtungen, zuvörderst vom ganz empirischen Standpunkt ausgehn. – Da liegt uns zunächst die unleugbare Thatsache vor, daß, dem natürlichen Bewußtseyn gemäß, der Mensch nicht bloß für seine Person den Tod mehr als alles Andere fürchtet, sondern auch über den der Seinigen heftig weint, und zwar offenbar nicht egoistisch über seinen eigenen Verlust, sondern aus Mitleid, über das große Unglück, das Jene betroffen; daher er auch Den, welcher in solchem Falle nicht weint und keine Betrübniß zeigt, als hartherzig und lieblos tadelt. Diesem geht parallel, daß die Rachsucht, in ihren höchsten Graden, den Tod des Gegners sucht, als das größte Uebel, das sich verhängen läßt. – Meinungen wechseln nach Zeit und Ort; aber die Stimme der Natur bleibt sich stets und überall gleich, ist daher vor Allem zu beachten. Sie scheint nun hier deutlich auszusagen, daß der Tod ein großes Uebel sei. In der Sprache der Natur bedeutet Tod Vernichtung. Und daß es mit dem Tode Ernst sei, ließe sich schon daraus abnehmen, daß es mit dem Leben, wie Jeder weiß, kein Spaaß ist. Wir müssen wohl nichts Besseres, als diese Beiden, werth seyn“.

Sonntag, 9. Oktober 2022

Einzahler (MP3)

https://soundcloud.com/ulrich-bauer/einzahler?utm_source=clipboard&utm_medium=text&utm_campaign=social_sharing https://soundcloud.com/ulrich-bauer/einzahler?utm_source=clipboard&utm_medium=text&utm_campaign=social_sharing

Samstag, 8. Oktober 2022

Blau machen

Im Altertum verfolgen vor allem die Ägypter den Traum vom Blau auf Erden. Sie beschaffen Lapislazuli, den Stein der Pharaonen. Er soll den speziellen Farbstoff hergeben, mit dem man malen kann. Doch zerkleinert man Lapislazuli zu Pigment, etwa mit einem Mörser, bleibt nur ein graues Pulver. Was haben die Ägypter wohl gemacht, um ihr typisches „Ägyptisch-Blau“ herzustellen? Es scheint so, als habe das Metall Kupfer dabei eine große Rolle gespielt. Kupfererde wurde geschmolzen und ein Metall daraus gewonnen. Eine Art „Abfallprodukt“ war dabei die bei diesem Prozess entstehende Schlacke. Es kommt dabei vor, dass diese Schlacken blau anlaufen. Das mag schließlich unter gewissen Bedingungen zum Rezept des typischen „Ägyptisch-Blau“ geführt haben, das als Kupferoxid-Malfarbe für Glas und Glasuren taugt. Das Blau des Himmels sollte somit die Götter preisen. Doch die Ägypter sind nicht die einzigen, die dem Blau auf diese Weise nachjagen. Die Reiche des Altertums erfinden jeweils ihr eigenes Blau. "Smalte" ist ein Farbstoff, der zum Blau in Mesopotamien führt. Dann wurde "Han-Blau" im frühen China aus Barium erzeugt. Im frühen Mittelalter wächst die Sehnsucht der Menschen, Blau in ihr Leben zu integrieren. Es war dies ein mystisches Blau von einem mystischen Ort. Bis heute hält diese Faszination an. Laut Umfrage ist Blau die Lieblingsfarbe der meisten Menschen in der Welt. Wir verbinden mit ihr vor allem Vertrauen und Treue. Nicht umsonst hat auch hierzulande eine ganze Reihe von Markenartiklern, bei denen es vor allem um Vertrauen geht, Blau zu ihrer Farbe gemacht.

Freitag, 7. Oktober 2022

Übergang

Wir leben in einem Übergangszustand: Die Werbewelt und die ihr angeschlossenen Medien tun so, als sei alles so wie immer, während in den Zeitungsartikeln, die direkt neben dem Einschlägigem stehen, höchst bedenkliche Fakten zur wirtschaftlichen Lage (die ja ohnehin alles durchdringt) bekannt werden. Es werden „Tipps“ zur besseren Ausstattung gegeben, Luxusartikel angepriesen, „Services“ angeboten: Geschichten, die jeder gesellschaftlichen Solidarität Hohn sprechen. Aussterben, Artensterben: Von den Menschen gibt es möglicherweise zu viele. Luxusprobleme werden gewälzt, während jetzt gerade jede achte Vogelart ausstirbt. Am lautesten wird von denen nach einer Änderung des Lebensstils geschrien, die einen besonders schamlosen Umgang mit den Ressourcen pflegen und „ganz privat“ dem hemmungslosen Umgang mit dem Hedonismus zugetan sind. „Individuelles Erlebnis“ ist bei ihnen angesagt, - aber bitte nachhaltig! Da sind, - wie immer, - die farbigen Berichte über Menschen, die „es geschafft haben“. Gendersprache ist gefordert und "woke" zu sein ist angesagt. Windige Typen machen windige Geschäfte. Die Fernsehköche kochen dazu immer geschmäcklerischer und es werden „Wettbewerbe“ ausgerufen.

Donnerstag, 6. Oktober 2022

Bildungshierarchen

Da quillt unsäglich blödes Zeugs aus dem Fernseher, während sich Kultur- und Kultushierarchen in dicken 8- und 12-Zylinder-Limousinen zu ihren Sitzungen fahren lassen. Man erinnert sich indessen an Reportagen über den Verfall von Schulen, von Fenstern, die nicht mehr geöffnet werden können und von Platten, die vom der Decke fallen. Welche Worte man in letzter Zeit weniger hört und liest: „disruptiv“, „Dysotopisch“ Ein paar Worte, die man oft oder dauernd hört: „Narrativ“, „geframed“…. Man hatte Umgang mit den „unteren Schichten“ der Bevölkerung und musste staunend vernehmen, wie da über die Bedeutung von Worten geraten wurde: „Senior vice president“, „gecanceled“, „Gendersprache“…..“Lerninfrastruktur“ wer kann mir das erklären? Mir wurde auch angesichts dessen wieder bewusst, wie abgehoben sich jene Bildungsfunktionär(innen) verhalten, die sich zu teuren Sitzungen treffen, bei denen oft nichts anderes heraus kommt, als kaputte Schulen. Ich werde indessen gefragt, was das Wort „digital“ bedeute (was bedeutet „W-LAN!?) und denke mir, dass der völlig daneben gegangene Digitalunterricht in bedrängten Corona-Zeiten da eine deutliche Sprache spricht. Ob diese Kulturhierarchen überhaupt eine Ahnung davon haben, dass alleine schon die Sprache (Bildungs-)barrieren schaffen kann? Ob sie irgendeinen Kontakt mit denen pflegen, deren Bildungsentwicklung sie zu befördern vorgeben („Bildung schafft Lebenschancen“)? In Baden-Württemberg werden Lehrer(innen) während der Sommerpause entlassen, um im Herbst wieder welche einzustellen? Ist das okay?

Mittwoch, 5. Oktober 2022

An Novalis (Lyrik v Georg Trakl)

An Novalis In dunkler Erde ruht der heilige Fremdling. Es nahm von sanftem Munde ihm die Klage der Gott, Da er in seiner Blüte hinsank. Eine blaue Blume Fortlebt sein Lied im nächtlichen Haus der Schmerzen. Georg Trakl 1913

Dienstag, 4. Oktober 2022

Was war, was ist.....

Wird man alt und älter, geht man tatsächlich auf den Tod zu? Man ist nur darauf zugegangen, immer schon. Er kommt immer näher, dieser Tod. Unmerklicht hat man die Generationen gewechselt, fühlt sich zwar noch jung, muss aber neue physische Begrenzungen hinnehmen. Man ist in der Zeit scheinbar zu etwas Stabilem geworden, hat Merkmale heraus gearbeitet, die nicht mehr veränderbar erschienen. Man hat Geschichte und hat entsprechende Erfahrungen gemacht, man kann darauf zurück blicken, ja, es gibt Dinge der ernsten Art, an die man sich nicht so recht erinnert. Sogar, - obwohl sie ein wichtiger Teil von einem sind. Kürzlich hat AM angerufen, ein Schatten meiner Vergangenheit. Wir haben uns gut verstanden, zu meiner Überraschung. Er hält sich mittlerweile in einer vollkommen verschiedenen Lebenswelt auf, was jederzeit klar war. Wie konnte man eigentlich sagen, wer man war? Man erinnerte sich gegenseitig dran, was war, wie man sich verhalten hat, wie man andere Individuen wahrgenommen hat. War man wirklich derselbe wie heute? Man hat ja schon so viel Zeit erlebt…….

Montag, 3. Oktober 2022

Großpoesie

Was sich vielfach promoted und in tausend Anzeigen beworben ins Bewusstsein schleicht: Höchst gelangweilte Anwälte ihrer selbst scheinen als Großschriftsteller gefeiert und nach Einscheidungsschlachten mit den üblichen Moralbegriffen nun mit verdrießlichem Gesicht auf dem Buchdeckel ihres bekennerischen und rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft erschienen Buches ihre Depressionen in Büchern auszuleben. Illustrationen eines dekadenten Großbürgertums sind diese literarischen Ergüsse meist und Erweckungen „richtungslos sehnsüchtiger Stimmungen“. Ob sie darin den Schlagern und den von ihnen verbreiteten Welten gleichen mit denen sich Leute jeglicher Herkunft gerne bespaßen lassen? Sonnenuntergang auf der Trauminsel? Vergangenheitsbewältigungen, aus teuren Hotelzimmern heraus geschrieben? Sich von der Unbill des Lebens behaglich berühren lassen? Sich dabei einer „Traurigkeit“ immer gewahr sein? Ach, das böse Schicksal! Mutet einem trotz prall gefülltem Bankkonto und mehrfach abgefedertem Dasein so viel zu! Schwein und guter Mensch gleichzeitig sein? Ach, welcher Zwiespalt! Können einen politische Entscheidungen, die gerne als „Entlastungen“ daher kommen, belasten? Iwo! - schnell in den Flieger steigen und – weg!

Sonntag, 2. Oktober 2022

Sich kennen lernen

Was hat es mit uns gemacht? Wie ging das alles zu? Wie wurden wir der, der wir jetzt sind? Wir werden unserer menschlichen Identität nur sicherer, wenn wir auch unsere Vergangenheit studieren und aufnehmen können. Eine Art dafür finden, die eigene Art. Welchen Weg wir schon gegangen sind, um zum jetzigen Zustand zu gelangen. Was habe ich daraus gelernt (nicht mehr die Frage eines Bildungsbürgers...)? Ging es mir viel zu wenig ums Lernen? Wo bin ich voran gekommen? Welche Inspirationen gab es? Was hat sich in mir festgehakt? Was hat mich befördert und was behindert? Hat es mich überhaupt beeinflusst? Wie? Was? Welche Wege bin ich in meinem Leben gegangen, wird da aus heutiger Sicht eine Richtung erkennbar? Wie kann es sein, dass ich derselbe bin - und doch nicht derselbe? Irgendwie geworden. Ein Anderer? Oder derselbe? Wie habe ich die Dinge um mich herum zu verstehen versucht? Und bin dadurch aus mir heraus gekommen? Kann ich das am Heutigen spiegeln? Was sind die Wege, welche Umgebungen sind in mir mit was verbunden? Gebe ich mir das zu - oder gehe ich diesem „Lebe ganz in der Gegenwart“, diesem Gebot der hedonistischen Gegenwartssucher nach? Ist die Gegenwart, unser Existieren für mich nicht vielmehr ein Wunder? In das man hinein geworfen wurde, ohne es wirklich zu verstehen? Ich bin nicht bereit, scheinbare Selbstverständlichkeiten als solche in mich aufzunehmen. Das scheint eine Essenz zu sein, ein roter Faden. Überhaupt, ich würde gerne mehr rote Fäden erkennen an mir. Ich weiß aber auch, dass ich mich gespiegelt habe an Orten, an Verhältnissen, die damit verbunden waren und die mich beeinflusst haben, mit denen ich irgendwie zurecht kommen musste. Ich hatte versucht, zu funktionieren, hatte dies aber nicht so recht fertig gebracht. Erwartungen verfehlt. Ich war rechts und links ausgebrochen, es war wohl in mir angelegt. Dem zu folgen, mag ein Fehler gewesen sein. Ich kann das von heute aus besser erkennen. Ich habe registriert, wie mich Leute rechts und links überholt haben, wie viel sie schneller waren - aber nicht unbedingt besser.

Samstag, 1. Oktober 2022

In verschiedenen Lebenswelten

Wer versteht wen noch? Wir leben in einer Gesellschaft, die sich immer mehr ausdifferenziert. Dadurch sind entstanden und entstehen immer mehr teils streng voneinander geschiedene Lebenswelten, unter denen das Verständnis und ein demokratischer Umgang immer schwieriger wird. Diese Lebenswelten (oder Wahrnehmungsblasen) sind teils sozial bestimmt (etwa durch ökonomischen Status) teils durch Interessen, die selbstverständlich ihrerseits von ökonomischen Möglichkeiten abhängen. Dies ist eine Entwicklung, die quasi „vertikal“ innerhalb einer Gesellschaft vonstatten geht. „Horizontal“ mag uns zunehmend bewusst werden, dass verschiedene Kulturen sehr unterschiedliche Werthaltungen begründen. Unser Verständnis mag gerade noch für verschiedene Phänomene in Mitteleuropa ausreichen. Mag die Globalisierung auf ihren verschiedenen Ebenen noch so fortgeschritten sein, in weiter entfernt Winkel dieser Erde reicht unser Verständnis trotz allem nicht (man scheint sich z.b. hierzulande gar nicht darum zu bemühen und „das deutsche Wesen“ relativ unreflektiert zum Maßstab allen Geschehens zu machen). Auch dadurch entstehen teils extrem unterschiedliche Lebenswelten samt den damit zusammen hängenden Werthaltungen. Zwischen solchen, auf verschiedene Weise hervor gebrachten Lebenswelten zu pendeln, sie überhaupt erst kennen zu lernen und die damit verbundenen Abläufe besser zu verstehen, war zeitlebens eine „Herausforderung“, ein Anliegen für mich. Ich versuchte, mit Personen verschiedener Lebenswelten Kontakt aufzubauen, mit begüterten Personen und Personen, die auf direkte Weise abhängig vom in Deutschland herrschenden Sozialsystem sind. Der Journalismus schien ein Weg dazu zu sein. Später mag dies Anliegen auch durch mein Blog „Reise durch Wirklichkeiten“ charakterisiert sein. Es versucht oft, durch kurze Texte, Photos und – sogar – Musik, die eigene Position in einem größeren Zusammenhang besser zu bestimmen. Mein anderes Blog, „ubpage.de“ knüpft mehr an meine musikalische Daseinsform an, bleibt persönlicher, umkreist meine eigene Person...