Reise durch Wirklichkeiten

Freitag, 24. September 2021

Valerie (33)

 Er hatte ja auch versucht, ihr etwas vorzuspielen. Er hatte sich dabei beobachtet und sich miserabel gefunden im Verstellen und der Kunst der Täuschung. Ihr hatte er jedoch die Rolle als Studentin ohne Zögern abgenommen, er war gar nicht auf die Idee gekommen, daran zu zweifeln. Ihr Ich schien mit der Rolle eins zu sein. Es wären ihm aber bei einem längeren Zusammensein mit ihr Zweifel gekommen, so versuchte er sich einzureden. Es gab ja ohnehin viele Gemeinsamkeiten zwischen ihr und der vorgestellten Existenz als Studentin. Das Alter hätte stimmen können, sie hatte sich in Literatur und Kunst ausgekannt. Sie erzählte vom Alltag in der Universität und den Typen, die dort verkehrten mit ihrer ignoranten Ausschließlichkeit und vermeintlichen Richtigkeit, was seinen eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet voll und ganz entsprach. Also musste sie mit großem Einfühlungsvermögen leben, mit der Neugier auf die Menschen und ihre verschiedenen Arten zu leben. Sie musste vielleicht sogar über eine spielerische Fähigkeit verfügen, sich in jemanden anderes Hinein zu versetzen und dabei nicht nur mit Klischees umzugehen, sie musste wohl ihre eigene Individualität in die Rolle einbringen, mit typischen Erkennungszeichen und den jeweiligen ureigenen Signalen. War das Talent oder erlernte Fähigkeit? In welchem Mischungsverhältnis stand das gegenseitig?

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