Reise durch Wirklichkeiten

Mittwoch, 25. April 2018

Uns geht es gut

Ich stehe an der Seitenauslinie und beobachte: Ganze Gegenden und Regionen werden abgehängt, Krankenhäuser, Banken, Gerichte, Arztstandorte werden geschlossen, Verwaltungseinheiten „rationalisiert“ und neu organisiert. Buslinien werden nicht mehr „bedient“. Die Wirtschaft macht Profit, wie vom System vorgesehen und politisch gewollt. „Uns geht es gut“ als Dogma, das für besondere Leute ganz besonders gilt. Behörden geben sich arrogant, „verwalten“ von oben herab und wollen Demokratie neu einüben und populistische Tendenzen abwehren, sie fahren Doktortitel und Professoren (mnchmal sind sie auch falsch) auf, sie verfügen, beschließen, setzen nach den Richtlinien ihrer Vorsteher und vorgelagerten Ministerien durch, entscheiden einsame Beschlüsse, schieben Sachzwänge vor, sehen die Verantwortung bei anderen, verschanzen sich hinter juristischen Phrasen, die niemand versteht. Die Infrastruktur gewisser (vor allem ländlicher) Gebiete verfällt aber während dieser Zeit regelrecht,....Uns geht es gut. Man sollte nicht alles schlechtreden, was doch im Großen und Ganzen so ganz und gar toll läuft.
Ministerpräsidenten und politische Entscheidungsträger fahren mit riesigem Gefolge, mit Referenten, Sprecher, Polizei und Sicherheitsleuten in Kolonnen riesiger Limousinen vor und vorbei und vorüber, lassen Termine zu Gesprächen ausmachen, die sie sodann nicht einhalten. Sie blocken ab, beschwichtigen, wiegeln ab, nutzen die Lage (aus), versuchen, Stimmen zu gewinnen, Bürgerinitiativen zu beschwichtigen, demonstrieren Bürgernähe und „Stallgeruch“, sind bei „Events“ dabei, lassen sich Unterschriftenlisten unterbreiten oder vorlegen, sie schütteln Hände, lassen sich erklären, lächeln professionell, hören zu, „fischen ab“. Fahren wieder ab in Richtung ihrer Festungen, die sie vor allem den „gewählten“ Leuten in Berlin und der nächsthöheren Hierarchiestufe zu rechtfertigen haben. Örtliche Vertreter der Parteien führen Gespräche, machen sich gemein, geben sich demokratisch und volksnah und - können sodann offenbar doch nichts tun. Die Durchlässigkeit von Informationen ist halt nicht ganz gewährleistet. Es werden Millionen und Milliarden Euro verschwendet, öffentlich durch machtlose Rechnungshöfe bestätigt und in Bürgerdialogsimulationen durchgehechelt. 
Die Strukturen der scheinbaren „Alternativlosigkeit“ und der Sachzwänge sind scheinbar stärker als anderes. Was "alternativlos" sei, darüber entscheiden die Mächtigen. Es herrscht Ignoranz und Arroganz der Macht, auch wenn sie scheinbar nur auf Zeit verliehen ist, sie waltet und breitet sich aus, sie tötet ab, produziert Wut und Resignation. Abstände zwischen Lebenswelten werden größer und hinterlassen ein Gefühl der Fremde. Anliegen werden zerredet in Gesprächen mit Nach- und Untergeordneten, mit lakaienhaft funktionierenden Untergeben des Apparats, der in sich aufgesaugt hat, sie verpuffen, prallen an staatlich wohlbestallter und pensionsgestützter Ignoranz ab.
Aber: „Uns geht es gut“. Wir sollten nicht alles schlechtreden, auch wenn wir das Gefühl haben, es herrsche die "Ruhe vor dem Sturm". Die doppelte Moral gewisser Entscheidungsträger scheint uns kein gutes Zeichen zu sein. Aber wir scheinen daran nichts ändern zu können. Die Verbindung der Kommunalvertreter oder Kommunalpolitiker „nach oben“ scheint nicht sehr von Einfluss geprägt zu sein. Begehren werden gefiltert durch Stufen der Hierarchie, sie werden abgefedert, abgemildert, verdünnt und sie zerfließen, Vertreter von Bürgerinitiativen und Begehren der „Zivilgesellschaft“ fühlen sich angesichts dessen hilflos. Mitglieder einer rechtsgerichteten Protestpartei nutzen die Lage der Unzufriedenheit aus, geben sich volksnah, nutzen die Lage mit allerlei populistischen Methoden, sind dabei, sind anwesend, wenn sich etwas regt und tut. Sie saugen ein Potential der Unzufriedenheit auf, sie absorbieren Stimmungen und nutzen sie aus. Sie setzen sich für lokale und regionale Belange ein, sie sind bei Protestversammlungen gegen Schließungen und Verödungen der Infrastruktur dabei, sie sind dabei beim „Begehren“ und scheinen sich für direkte Demokratie einzusetzen und werben für ihre Partei. Sie formulieren in Reden mit steilen Thesen, wie sie die Lage einschätzen. Sie wiegeln auf und zentrieren den Protest, sie geben ihm Ausdruck, sie geben sich lebensnah heimatverbunden und gießen daraus volkstümliche Reden. So werden langsam Prozentzahlen, Einfluss und Macht daraus. Oder Widerstand. 

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