Reise durch Wirklichkeiten

Samstag, 14. April 2018

Als Primus tüchtig

Natürlich war da immer schon ein bisschen Neid dabei. Die kassierten die Einser, waren in allem die Besten und oberfleißig. Wir dagegen hatten Mühe, die Mindestanforderungen zu schaffen. Eigentlich verachteten wir diese Leute, der Zeitgeist schien auch etwas Anderes vom Menschen zu verlangen. Diese unbedingt leistungsbereiten Geister: die mussten anscheinend sein, waren uns selbst aber mindestens unangenehm. Wir nahmen sie nicht so richtig ernst. Heute jedoch scheint sich vieles geändert zu haben. Ich zitiere aus der Süddeutschen Zeitung ein Frauke-Petry-Porträt vom 13. Dezember 2017: Heute sei schnell klar, dass sie „schnell, intelligent, verblüffend offen und unverschämt widersprüchlich“ sei. Sie sei aber schon als Baby „sozialbegabt und süß“ gewesen, mit „pumuckelhaft großen Ohren“ und großer Nase. Später dann: „Einserschülerin, immer und überall Klassenbeste, Studienstiftung des deutschen Volkes, University of Reading in England, die ersten drei Kinder und der Doktor der Chemie in Göttingen, magna cum laude, CDU-Anhängerin, seit der Finanzkrise und der Eurorettung nicht mehr so sehr. Pfarrersfrau, die sonntags Orgel in der Kirche ihres Mannes spielt, Gründung eines Unternehmens auf der Basis eines Patents ihrer Chemikerin-Mutter.......“ usw.
Elite würde man sie heute nennen, Schwaben sagen zu so etwas „a Käpsele“. Ich hatte nie eine Einstellung zu solchen Leuten, weil ich immer auch eine optimale Anpassung hinter ihrem Erfolg vermutete, was mir stets zuwider war und noch ist. Jedenfalls würde so jemand mit einem Lebenslauf in der Bundesrepublik gut honoriert in zahlreichen Aufsichtsräten sitzen. Man hätte sich ein bisschen profiliert, aber nicht so, dass es die Karriere verdorben hätte. Man hätte seine Schlagfertigkeit genutzt und wäre „wichtig“ geworden. Man hätte sich als „Marke“ eingeprägt. Man hätte ein Netz von Beziehungen geknüpft, die einem später, nach diversen Eskapaden zur Schärfung des Profils, sehr zustatten gekommen wären. Man hätte ein Privatgymnasium besucht und wäre Anwalt geworden. Man wäre das geworden, was die Talkshows gerne als „Persönlichkeit“ vorzeigen. Suspekt waren mir diese oberangepassten und ach so tüchtigen Personen allzumal.  

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