Reise durch Wirklichkeiten

Montag, 1. August 2022

Urlaubsträume

Nun ja, diese Art der Anbiederung an den vermeintlichen Geschmack des Publikums kennen wir von Journalisten. Pünktlich jetzt, zu Beginn der Sommerferien auch noch im letzten Bundesland, werden Loblieder des Reisens gesungen. „Am liebsten weit weg“ solle die Reise gehen. „Hauptsache raus“, so der Tenor derer, die sich jetzt auf Flughäfen oder Bahnsteigen quälen und nach Corona endlich mal wieder die weite Welt an überfüllten Stränden von vollklimatisierten Hotels erkunden dürfen, wobei sie von den jeweiligen einheimischen „Bediensteten“ mit möglichst billigen Servicediensten umsorgt werden. Ob da eine Art Neokolonialismus durchschlägt, ein Diener-Herrschaftsverhältnis? Die „Entdeckungstour“ durch das eigene Land habe nicht ausgereicht, schließlich müsse man sich „ein Bild von der Welt machen“. Ob da der alte Mittelklassetraum von der „Bildungsreise“ noch mitschwingt? Wer von der Masse derer, die jetzt die Flughäfen stürmt, sich wohl ein „Bild von der Welt“ machen will, indem er mit einem netten Sonnenbrand unterm Sonnenschirm am Meer liegt? Reisen habe mit dem Erfahren zu tun, was auf gewissen Südseeinseln angesichts eines unzureichenden Klimaschutzes los sei. Wer sich wohl mit ungewöhnlichen Lebensgewohnheiten, merkwürdigen Speisen, fremden Sprachen und anders aussehenden Menschen auseinander setzen will? Reisen würde motivieren, aufrütteln und – bilden. Wer wohl von all den Reisenden an den Flughäfen einen Bildungsurlaub auf einer kleinen Insel oder in einem „armen Land“ gebucht hat? Ob eine solche „kleine Insel“ auch in der Südsee liegen könnte? Wer sich das wohl leisten mag? Die „Annäherung an das Fremde“ und die „Wiederherstellung der Arbeitskraft“ habe mit dem ursprünglichen Sinn und Zweck des Reisens zu tun. Die Betonung scheint mir heutzutage eindeutig auf dem zweiten Punkt zu liegen. Und ob die Masse der Urlaubenden diesen bildungsbürgerlich gefassten Begriff des Reisens teilt, mag dahin gestellt bleiben.

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