Reise durch Wirklichkeiten

Mittwoch, 10. August 2022

Urlaubsfluchten

Urlaub? Jeder spielt seine Abwesenheit, so gut er kann. Er will, dass man sie/ihn in irgendeinem Stau stehend vermutet, an den Abfertigungsschaltern von Flugzeug-Companies vielleicht, möglicherweise auch auf einer Reise in die Ferne, sicher aber auf der Flucht vor dem alltäglichen Sein. Unwillkürlich ertappt man sich dabei, wie man die Zeit einteilt: Vor dem Urlaub, im Urlaub, nach dem Urlaub (was ja wieder „vor dem Urlaub“ bedeutet). Auch können ein paar Jugend- oder Kindheitserinnerungen hoch kommen. Anstrengende Passfahrten mit dampfendem Motor, beängstigende Enge und schlechte Straßen. Man selbst auf der Rückbank: Gottseidank lenkte da einer vorne, der wusste, wohin es gehen sollte und alle Routen kannte. Im seltenen Falle zog man die Landkarte zu Rate. Aber es war ja alles klar. Ach, wie nett das alles war: Das Ziel war klar erkannt. Später die Fahrten in der kleinen oder erweiterten Clique: der eine wollte sehen, was ihm im Reiseführer als empfehlenswert erschienen war, - der andere wollte ins Schwimmbad. Einsame Frankreichfahrten, felsige Adriaküsten und anschließend mitten in den Winnetou-Film hinein. Auto-Pannen und im Zelt die kalten Nächte (ja, die gab’s damals noch mitten im Sommer), später die Erkundungen in der Wüste, samt dem Malheur mit Einheimischen, von denen man fast beraubt wurde. Viel gelernt, aber für’s Leben? Man bildete sich aus und hatte kein Geld. Man suchte etwas und fand es nicht. Aber man lernte von der Natur, ließ sich von ihr verschlucken und blieb doch immer der Angsthase. Jetzt ist alles anders. Der Massentourismus hat all diese Ziele verschluckt. In diesem Sommer wird wieder geflogen, was das Zeug hält. Klimakrise hin oder her. Wohin wird geflogen? Egal, Hauptsache weg.

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